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Kampf gegen die Verjährung

Von Petra Tempfer

Analysen

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Wer schlimm ist, kommt ins Heim. So wurden in der Nachkriegszeit die Insassen der städtischen Kinderheime abgestempelt, die diese nicht einmal dann verlassen durften, wenn sie in die Schule mussten oder krank waren. Es waren geschlossene Systeme, vergleichbar mit einer Kaserne oder einem Gefängnis, in dem die Erzieher Menschen von der Straße ohne besondere Ausbildung waren. Erst nach der Heimreform 1971 wurden die Heime geöffnet, kleinere Gruppen und Wohngemeinschaften gebildet und Supervisionen eingeführt.

Dass in den geschlossenen Systemen fast nichts nach außen drang und Missbrauch dadurch Tür und Tor geöffnet wurde, scheint nachvollziehbar. Dass damals nicht einmal Personalakte angelegt werden mussten, macht Nachforschungen heute noch schwieriger. Angesichts der aktuellen Missbrauchsvorwürfe im Kinderheim im Schloss Wilhelminenberg ist aber dennoch eine politische Debatte über die Verjährungsfrist bei Kindesmissbrauch entbrannt. Vier der fünf Parlamentsparteien sprechen sich für eine Verlängerung oder Abschaffung der Verjährungsfrist aus - allein die ÖVP ist dagegen.

Zuletzt wurde die Frist 2009 verlängert. Seitdem beginnt sie ab dem vollendeten 28. Lebensjahr und dauert je nach Schwere der psychischen und/oder physischen Verletzungen in Folge des sexuellen Missbrauchs der unmündigen Person zwischen 5 und 15 Jahre lang. Der Missbrauchsvorwurf im Kinderheim auf dem Wiener Wilhelminenberg ist also in jedem Fall verjährt: Die angeblichen Vorfälle liegen 41 Jahre zurück, die Betroffenen waren damals sechs und acht Jahre alt.

BZÖ und FPÖ ist die aktuelle Verjährungsfrist nicht nur zu kurz - ihrer Ansicht nach sollen sogar bereits verjährte Fälle wieder aufgerollt werden können. Dagegen sprechen sich wiederum SPÖ, ÖVP und Grüne gemeinsam aus: Aktuelle Missbrauchsfälle nachträglich zu verfolgen widerspreche der Europäischen Menschenrechtskonvention.

SPÖ und Grüne wollen allerdings eine rasche Diskussion darüber, ob die Verjährungsfrist in Zukunft verlängert oder abgeschafft werden soll. Die ÖVP stellt hingegen infrage, ob Fälle, die Jahrzehnte zurückliegen, überhaupt objektiv aufgeklärt werden können.

Tatsächlich sind die beschuldigten Täter oft schon tot und mögliche Mitwisser schwer auszuforschen. Viele Opfer wollen laut Opferschutzkommission auch gar keine Anzeige, sondern einfach nur eine fachmännische Traumatherapie. Und viele warten sogar, bis ihre einstigen Erzieher tot sind. Aus ihrer manifesten Angst vor Strafe und davor, ihnen wieder in die Augen sehen zu müssen.