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Kampf gegen ein Randphänomen

Von Katharina Schmidt

Politik
Ob Niqab (im Bild) oder Burka: Ein Verbot des Ganzkörperschleiers wird derzeit in vielen Ländern überlegt. Foto: anp

Marek will Verbot aus menschen- und frauenrechtlichen Gründen. | Islamische Glaubensgemeinschaft und Expertin gegen Vorschlag. | Wien. Die Burka - die Ganzkörperverschleierung der muslimischen Frau - sorgt wieder einmal für politische Debatten. Am Donnerstag hat Familienstaatssekretärin Christine Marek ein generelles Burka-Verbot im öffentlichen Raum gefordert. Die Wiener ÖVP-Chefin, die sich mitten im Vorwahlkampf befindet, will das Thema "aktiv angehen". | Leitartikel: Burka-Verbot


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Ein Verbot solle nicht nur öffentliche Gebäude wie Gerichte oder Amtshäuser betreffen, sondern auch Spitäler, Banken, Geschäfte, die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Lenken eines Fahrzeugs. Als Grund für ihren Vorstoß nannte Marek den menschen- und frauenrechtlichen Aspekt. "Wenn ich diese Frauen sehe, dann denke ich mir: Das sind Menschen zweiter Klasse."

Für etwaige Sanktionen müsse man auch auf internationale Beispiele wie Belgien zurückgreifen. Als erstes europäisches Land will Belgien ein Burka-Verbot im öffentlichen Raum einführen. Bei Verstößen drohen Geldstrafen und/oder bis zu sieben Jahre Haft.

Ähnliche Debatten gibt es auch in der Schweiz, in Italien, Dänemark und Frankreich - dort will zwar die Regierung die Burka in öffentlichen Einrichtungen verbieten, der Staatsrat als höchste Verwaltungsinstanz hat aber jüngst Bedenken angemeldet.

Was diesen Staaten gemeinsam ist: Burka-Trägerinnen sind dort kaum zu finden. So tragen in Frankreich nur rund 1900 Frauen die Burka, in Dänemark wurde im Rahmen einer Studie keine einzige Burka-Trägerin ausgemacht.

"Randerscheinung sondergleichen"

Auch in Österreich gibt es keine konkreten Zahlen. Anas Schakfeh, Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft, spricht von einer "Randerscheinung sondergleichen". Es gebe "kein Burka-Phänomen in Österreich". Die Glaubensgemeinschaft sei "nicht für den Gesichtsschleier, weil es keine theologische Grundlage dafür gibt". Die Frau selbst müsse aber entscheiden, ob sie sich verschleiern möchte: "Wir sind gegen jede Zwangsmaßnahme, egal ob sie vom Ehemann oder von staatlicher Seite kommt", so Schakfeh.

Eine theologische Grundlage für das Tragen der Burka kann auch die Wiener Islamwissenschafterin Liselotte Abid nicht erkennen. Eine Gesichtsverschleierung sei im frühen Islam nicht üblich gewesen. Nur die Frauen des Propheten Mohammed hätten sich verschleiert, um ihren besonderen Status hervorzuheben. Basis dafür sei ein Koranvers, in dem es heißt, wenn "ihr sie (die Frauen des Propheten, Anm.) um irgendetwas bitten möchtet, so bittet sie hinter einen Vorhang". Dabei wurde der Begriff "Hijab" verwendet, der heute das "normale" Kopftuch bezeichnet. Hinweise auf eine Vollverschleierung liefert der Koran laut Abid nicht - darin seien sich auch die allermeisten Gelehrten einig. Grundsätzlich halte sie aber ein Burka-Verbot für kontraproduktiv, da dies zu einer "Polarisierung der Gesellschaft" führen könne.

Auch der Grüne Bundesrat Efgani Dönmez findet, dass die "Scheindebatte" um die Burka "nur polarisiert". Er erklärt zwar, dass die Burka "weder mit dem Islam, noch mit der westlichen Wertegemeinschaft etwas zu tun" habe und ein "Symbol für die Unterdrückung der Frau" sei. Die gegenwärtige Diskussion hält Dönmez allerdings für "bizarr". Stattdessen solle man sich Gedanken etwa über die Ausbildungssituation junger Migranten machen.

Eine "breite Diskussion" über ein Burka-Verbot will hingegen Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek. "Ich will mich der Debatte nicht verschließen, denn eine Ganzkörperverschleierung diskriminiert Frauen massiv", sagte sie und forderte eine Unterscheidung zwischen den Begriffen "öffentlicher Raum" und "öffentliche Gebäude". Touristinnen auf Shoppingtour etwa sollten ihren Schleier nicht ablegen müssen.

Verbot grundrechtlich problematisch

Dieser Unterschied könnte darüber entscheiden, ob ein Burka-Verbot mit den EU-Grundrechten vereinbar ist. Wie Niraj Nathwane von der EU-Grundrechtsagentur erklärt, könnte ein solches Verbot nämlich sowohl gegen das Recht auf Religionsfreiheit verstoßen als auch eine indirekte ethnische Diskriminierung darstellen. Am ehesten sei es zulässig, wenn es auf Schulen und öffentlich Bedienstete beschränkt werde. "Je weiter das Verbot geht, desto schwieriger ist es zu begründen", so der Experte.