Zum Hauptinhalt springen

Kampf gegen Genitalverstümmelung

Von Alexander U. Mathé

Kommentare

Während Frauenrechtlerinnen gegen die weibliche Beschneidung kämpfen, gibt es Gerüchte, dass sie islamistische Terroristen angeordnet haben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Awezan Nuris Mutter hatte ein traumatisches Erlebnis im Alter von zwölf Jahren. Ihrer Tochter erzählte sie von dem Blut, das die ganze Nacht nicht aufhörte zu fließen, und von den fürchterlichen Schmerzen, die sie erdulden musste. Damals, als sie zwölf Jahre alt war, wurde die Irakerin beschnitten. Dafür verantwortlich war ihre eigene Mutter, die das Ritual eingefädelt hatte. Und doch: Als sie dann selber Mutter von sechs Töchtern war, wollte sie die wiederum zur Beschneidung zwingen. Zu groß war der gesellschaftliche Druck: Es geht um Tradition und um Respekt, vor allem aber um Gruppenzugehörigkeit. In dieser Gesellschaft werden unbeschnittene Frauen geschnitten: Sie gelten als unrein, Essen, das sie bringen, wird nicht angerührt, Männer meiden sie wie der Teufel das Weihwasser. Im mittleren Afrika von Senegal bis Somalia ist weibliche Beschneidung gang und gäbe. In Somalia sowie in Guinea und auch in Ägypten kratzt der Prozentsatz der beschnittenen weiblichen Bevölkerung an der 100-Prozent-Marke. Je nach Schwere der Beschneidung bedeutet das für die Frauen Verlust oder zumindest Reduzierung sexueller Gefühle, schwere Geburten und auch Lebensgefahr, denn oft wird der Schnitt mit rostigen oder verschmutzten Klingen durchgeführt. Im Nahen und Mittleren Osten ist diese Praktik eher die Ausnahme als die Regel. Der Irak weist insgesamt eine Quote von unter zehn Prozent auf, jedoch gibt es Regionen, in denen die Beschneidung präsenter ist - wie etwa das Kurdengebiet, aus dem Awezan Nuri stammt. 38 Prozent der Frauen in ihrer Heimatprovinz Kirkuk sind beschnitten. Bei ethnischen Kurden liegt die Ziffer bei 65 Prozent. Die dort übliche Methode ist die Entfernung der Klitoris im Alter von vier bis zwölf Jahren. Die heute 32-Jährige Nuri entging als sie 9 Jahre alt war nur knapp diesem Schicksal. Zu verdanken hat sie das ihrem Vater, der gegen die Beschneidung war. Nun will Nuri ihrerseits anderen Mädchen den Eingriff ersparen. Sie ist Vizepräsidentin des Pana Centre in Kirkuk, das sich für Frauenrechte und Aufklärung von Mädchen engagiert. Doch während Nuri versucht, an einer Front das Feuer zu löschen, bricht es an anderer Stelle umso heftiger aus. Denn die Jihadisten der Terrorgruppe Islamischer Staat haben laut einer UN-Gesandten bei allen Frauen und Mädchen in und um die Stadt Mossul eine Genitalverstümmelung angeordnet. Zwar gibt es Zweifel an dieser Aussage. Sollte sie sich aber bewahrheiten, wären von dem Befehl rund vier Millionen Frauen betroffen. Dadurch würde sich die Zahl der weltweit jährlich neuen Fälle weiblicher Beschneidung mehr als verdoppeln. Schätzungen zufolge werden nämlich pro Jahr drei Millionen Mädchen beschnitten, bis zu 140 Millionen sind es insgesamt. "Die psychischen Folgen sind unvorstellbar", erklärt Nuri. Ganz abgesehen davon, dass sie niemals "die Intimität mit ihren Männern genießen werden können."