Die EZB erhöht die Zinsen erneut um 25 Basispunkte, noch aber sieht sie das Niveau nicht "ausreichend restriktiv".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 1 Jahr in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Inzwischen stimmt die Richtung: Der rasante Anstieg der Verbraucherpreise im Euroraum schwächt sich ab. Die Europäische Zentralbank (EZB) muss deshalb nicht mehr so energisch an der Zinsschraube drehen, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen. Mit Blick auf die durchschnittliche Teuerungsrate, die im Mai auf 6,1 Prozent deutlich sank, haben die Euro-Wächter die Leitzinsen am Donnerstag um 0,25 Prozentpunkte angehoben – wie schon im vergangenen Monat im kleinstmöglichen Ausmaß.
Dies war nun die achte Zinserhöhung in Serie seit dem Kurswechsel im Juli 2022, als die EZB angesichts der ausufernden Inflation gezwungen war, ihre jahrelang extrem lockere Geldpolitik zu beenden. Alles in allem haben die Euro-Währungshüter rund um ihre Chefin Christine Lagarde die Schlüsselsätze seither um 4,00 Prozentpunkte (400 Basispunkte) hinaufgesetzt.
Ihre Arbeit ist damit freilich noch nicht erledigt, obwohl der Zinsgipfel nach Einschätzung von Ökonomen immer näher rückt. Denn aktuell ist die Inflationsrate noch gut drei Mal so hoch wie das auf 2 Prozent lautende Ziel der EZB, das für stabile Preise steht. Auch die sogenannte Kerninflation (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) war zuletzt mit 5,3 Prozent noch viel zu hoch, als dass sich die Hüter des Eurosystems bereits zurücklehnen könnten.
"Ausreichend restriktives" Zinsniveau im Visier
Im Anschluss an die jüngste Ratssitzung betonte Lagarde denn auch einmal mehr, dass die Zentralbank weiter entschlossen sei, bei der Bekämpfung der Inflation nicht locker zu lassen. Zwar habe sich die Inflation verringert, laut den Projektionen werde sie aber zu lange zu hoch bleiben. Vor diesem Hintergrund würden die künftigen Beschlüsse des EZB-Rates dafür sorgen, die Leitzinsen auf ein "ausreichend restriktives Niveau" zu bringen. Dies, so Lagarde, solle eine zeitnahe Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen 2-Prozent-Ziel ermöglichen. Dabei werde die EZB wie bisher datenabhängig agieren.
Wie weit es mit den Zinsen noch nach oben gehen muss, um die Inflation wieder auf den Zielwert zurückzuführen, darüber hielt sich die Französin allerdings bedeckt. Doch was zumindest das nächste EZB-Meeting am 27. Juli betrifft, ist aus Sicht der Finanzmärkte schon einmal eine weitere Zinsanhebung um 25 Basispunkte fix.
"Die EZB hat klar signalisiert, mit Zinserhöhungen weiterzumachen", so Alexander Krüger, Chefvolkswirt von Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, zu Reuters. "Statt müde zu werden, ist sie in Bezug auf die Inflationsaussichten weiter hellwach." Ein Zinsschritt im Juli scheine damit schon gesetzt zu sein, meint Krüger. Wie es danach weitergeht, wie oft möglicherweise noch erhöht werden muss oder ob vielleicht doch eine Zinspause erfolgt, bleibt vorerst freilich offen.
Nach der neuesten Vorhersage der EZB wird die Wirtschaft in der Eurozone heuer um 0,9 Prozent wachsen und damit einen Hauch schwächer als noch im März mit 1,0 Prozent prognostiziert. Im kommenden Jahr sollte sich das Wachstum dann auf 1,5 Prozent beschleunigen.
Bisher hat die EZB mit ihren Zinsentscheidungen stets darauf Bedacht genommen, die Konjunktur nach Möglichkeit nicht abzuwürgen. Nach Einschätzung des Chefökonomen der Dekabank, Ulrich Kater, hat sie dabei einen "guten Kompromiss zwischen einer entschlossenen Inflationsbekämpfung bei nur moderater Beeinträchtigung der Konjunktur gefunden".
Fed lässt Leitzinsen vorerst unverändert
In den USA hat die Federal Reserve (Fed), die dortige Notenbank, nach ihren bereits zehn Zinserhöhungen seit März 2022 unterdessen eine Pause eingelegt. Die Leitzinsen in der größten Volkswirtschaft der Welt bleiben damit laut jüngstem Fed-Beschluss in der Bandbreite von 5,00 bis 5,25 Prozent. Nachdem die US-Inflation im Mai stärker als erwartet – von 4,9 auf 4,0 Prozent – gesunken ist, wollen die Notenbanker mit Jerome Powell an ihrer Spitze nun die weitere Entwicklung der Verbraucherpreise und der Konjunktur abwarten, ehe sie weitere mögliche Schritte setzen.
Dass die Fed die Zinsen unverändert ließ, hat die selbständig arbeitende Wiener Analystin Monika Rosen nicht überrascht: "Der Markt hat das erwartet." Dennoch habe die Fed "eine faustdicke Überraschung geliefert, indem sie für die Zukunft zwei weitere Zinserhöhungen ankündigte, während der Markt nur mit einer gerechnet hatte", so Rosen.
Die nächste Zinssitzung findet am 26. Juli statt. Bis dahin werde die Fed die Daten "natürlich noch sehr genau beobachten", sagt Rosen. Die jüngsten Inflationszahlen seien "moderater hereingekommen als befürchtet". Trotzdem zeige sich die Fed entschlossen, die Inflation weiter zu bekämpfen – vor allem deshalb, weil der US-Arbeitsmarkt noch sehr robust sei.