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Kampf gegen Terror darf nicht Vorwand für Verletzung der Menschenrechte werden

Von Solmaz Khorsand

Politik

Während man in London nach den Hintermännern der Anschläge sucht, hat Europa dem Terror mit Gesetzen den Kampf angesagt. "Der Kampf gegen den Terrorismus darf von Staaten aber nicht als Vorwand für menschenrechtswidriges Verhalten herhalten", betonten Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und Experten diverser internationaler Organisationen am Wochenende bei einer Tagung in Wien.


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"Geständnisse, die unter Folter erzwungen werden, sind unzuverlässig und dürfen nicht als Beweise vor Gericht herangezogen werden", so der Tenor der Experten.

"Wir können es uns nicht leisten, auf das nächste London, Beslan, Madrid oder Istanbul zu warten", sagt Terry Davis, Generalsekretär des Europarates und fordert die umgehende Ausführung beschlossener Anti-Terror-Konventionen, die auch die Einhaltung von Menschenrechtsstandards vorsehen. Darunter fallen unter anderem die Abschiebungsregelungen, die Staaten nur dann eine Auslieferung in ein anderes Land erlauben, wenn der Verdächtigte dort keinen Misshandlungen ausgesetzt ist. Doch die Praxis sieht anders aus.

"Es wird immer versucht werden, diese Umsetzungen durch diplomatische Versicherungen zu umgehen, die sind kein Rechtsakt. Es gibt keine Versicherung, dass es keine Folter gibt. Denn kein Staat foltert offiziell", kritisiert Gabriela Echeverria von der britischen Anwaltsorganisation REDRESS, die sich mit Folterfällen weltweit befasst.

Während der Tagung wurde oftmals die Frage aufgeworfen: Existiert seit den Anschlägen vom 11. September 2001 eine Art Paralleljustiz für Terrorverdächtigte, für die andere Standards gelten als für Normalbürger? "Da kann es schon Abweichungen geben, aber ich glaube nicht, dass die Staaten dafür stimmen gegen die Menschenrechte zu verstoßen um den Kampf gegen den Terrorismus zu gerechtfertigen. Das würden unsere Bürger nicht zulassen", ist sich der Programmkoordinator der OSZE-Terrorbekämpfungsabteilung, Dimitar Jalnev sicher.

Gravierende Auswirkungen auf das Justizwesen, hatten die Terroranschläge vom 11. September vor allem in Großbritannien. Verdächtige können bis zu sieben Tage ohne Anklage und Prozess festgehalten werden. Ausreichend ist der "begründete Glaube", dass der Betreffende eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle. Die britische Anwältin Muddassar Arani sieht in den Gesetzen vor allem Angriffe auf die muslimische Minderheit. "Nach den Anschlägen in London wird es neue Gesetze geben, die mehr Menschen angreifen werden und sie werden nicht die Effekte bringen, die man sich erhofft."

Nach Angaben des britischen Innenministeriums wurden zwischen September 2001 und März 2005 732 Personen unter dem Terrorism Act 2000 festgenommen. 21 von diesen wurden verurteilt, 376 mussten ohne Anklage freigelassen werden. Im Dezember 2004 wurden die Anti-Terrorgesetze vom höchsten britischen Gericht als schwere Verletzung gegen die Menschenrechte verurteilt und sollen im nächsten Frühling wieder vor das Parlament kommen.