"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." So will es der erste Artikel der UN-Menschenrechtserklärung, der am 10. Dezember 1948 - noch ganz unter dem Schock des Nazi-Terrors - von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde. Zwei Jahre später wurden alle UN-Mitglieder aufgefordert, den 10. Dezember als Tag der Menschenrechte zu begehen, um der weltweiten Verletzung derselben zu gedenken.
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Ein Tag, an dem es noch nie Grund zur viel Freude gegeben hat: Im heurigen Jahr fällt die Bilanz aber besonders negativ aus: 2001 war "ein schlechtes Jahr für die Menschenrechte", so der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Lord Russell-Johnston, und spricht damit den meisten Menschenrechtsaktivisten aus der Seele. Dabei braucht man mit dem Finger gar nicht auf einige exotische Staaten Lateinamerikas, Afrikas oder Asiens zu deuten: Gerade in den westlichen Gesellschaften erreiche derzeit eine "kollektive Paranoia" gegenüber Einwanderern neue traurige Höhepunkte, so Russell-Johnston.
Die Menschenrechtserklärung von 1948 garantiert unter Artikel 14 das Recht jedes Menschen, in anderen Staaten Schutz vor Verfolgung zu suchen und zu bekommen. Der Leiter des Asylrechtsbüros des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) in Genf, Volker Türk, weiß nur zu genau, dass die Praxis anders aussieht: Die mit Migrationsfragen beauftragten österreichischen und EU-Gremien würden in Wahrheit "sehr wenig Sensibilität" aufbringen. Die Terroranschläge vom 11. September und die darauf folgende Einschränkung der Grundfreiheiten in vielen Staaten hätten die Menschenrechtsfragen allgemein weiter in den Hintergrund gedrängt, so Türk. Eine Gefahr, die auch Österreichs Außenministerin Ferrero-Waldner sieht: "Wenn wir die Achtung der Menschenrechte aus den Augen verlieren, bedeutet dies einen Sieg für jene, die die universellen Grundwerte mit allen Mitteln unterminieren wollen", mahnte die Ministerin gestern.
Hilfsbereitschaft hat etwas mit dem Wohlstand einer Gesellschaft zu tun. Die Bereitschaft zu helfen sinkt umgekehrt proportional mit dem Reichtum eines Landes, lautet die These von Stephen Castles, Direktor des Zentrums für Flüchtlings-Studien an der Universität von Oxford. Und der Wissenschafter kann diese These mit Zahlen erhärten: Armenien habe weltweit mit 84 Flüchtlingen pro 1000 Einwohner prozentuell den höchsten Anteil. Österreich befindet sich auf Platz 21. Es stellt sich nun die Frage nach den wahren Gründen für die allseits beobachtbare "Panik" um Asylbewerber. Castles Antwort: "Die Asylanten werden als Metapher für die mit der Globalisierung einhergehenden Gefahren gesehen".
"Verschwinden lassen"
Und wie steht es um die Menschenrechte im viel gepriesenen "Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten" - den USA? Laut dem Generalsekretär der Österreich-Sektion der Menschenrechtsorganisation amnesty international, Heinz Patzelt, nicht zum Besten, vor allem nach den Ereignissen vom 11. September. Es sei Besorgnis erregend, wenn geheime Militärgerichtshöfe eingerichtet würden, wenn Folter wieder "diskutierbar" werde. Entsetzt zeigte er sich darüber, wie die Menschenrechtskonvention in den USA und Großbritannien in Frage gestellt und außer Kraft gesetzt werde. "Was der US-Innenminister hier tut, entspricht - so traurig das ist - nahezu allen Elementen des so genannten Verschwinden lassens, einer der grauenhaftesten und bösartigsten Formen der Unterdrückung, die wir sonst nur in völlig menschenrechtsverachtenden Regimen vorfinden", kritisierte Patzelt.