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Er ist alt, krank und schwach · doch wenn es um das Elend in der Dritten Welt geht, ist der Papst wortgewaltig wie vor 20 Jahren. "Übel, die zum Himmel schreien", nennt er die Botschaft seiner | Mexiko-Reise. Ob Armut und Ausbeutung, ob Korruption oder Umweltzerstörung · der Mann auf dem Stuhl Petri spricht Klartext.
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Es bleibt nicht beim Lamentieren über das Elend, immer mehr macht Johannes Paul II. Globalisierung und das wirtschaftspolitische Nord-Süd-Gefälle zu seinen Themen. "Die wachsende Kluft zwischen
Arm und Reich, der unfaire Wettbwerb, der die armen Länder in immer größere Unterlegenheit bringt". Das ist sein Thema. So sprach die europäische Linke in den 70er Jahren, heute sagt das kaum jemand
mehr so.
Wann immer der Papst am Wochenende in der mexikanischen Hauptstadt sozialpolitische Themen ansprach, brandete der Beifall der Gläubigen auf. Das war schon vor 20 Jahren nicht anders, als der damals
neu gewählte Papst bei seiner ersten Auslandsreise Mexiko besucht hatte. Heute mag sich die Mehrheit der Mexikaner in Sachen Verhütung und Sexualmoral von der katholischen Kirche weit entfernt haben.
Doch wenn es um die Verteidigung der wirtschaftlich Schwachen geht, ist der Papst für sie glaubhaft und überzeugend.
Mehr noch als seine Predigten liest sich das päpstliche Schreiben zum Abschluß der pan-amerikanischen Bischofssynode wie eine sozialpolitische Anklageschrift. Da werden "politische Eliten" des
Kontinents der Korruption bezichtigt, die "Unverantwortlichkeit" innerhalb der Regierungen trage Schuld an der drückenden Auslandsverschuldung, und "egoistische Interessen" hätten zur Zerstörung der
Amazonas-Wälder geführt. Offenbar mit Blick auf die USA gibt es Breitseiten gegen das Wettrüsten. Sogar die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) werden in dem Schreiben in Sachen
Auslandsverschuldung namentlich erwähnt. "Ein Novum in päpstlichen Schreiben", meint ein Vatikan-Experte in der Delegation. Die "erstickende Verschuldung" müsse beendet werden.
An der Schwelle zum nächsten Jahrtausend treibt den Papst vor allem die Sorge um das Absolute der Wirtschaft um. Immer mehr "werden Profit und die Gesetze des Marktes zur einzigen Richtschnur", die
menschlichen Belange blieben auf der Strecke. Und die Schwelle zum nächsten Jahrtausend hat der Papst fest im Blick. Erst kürzlich raunten die Auguren im Vatikan, ihm gehe es schlecht. Doch in Mexiko
wirkte der Papst zeitweise wieder gestärkt, beinahe frisch. Den überraschten Journalisten gestand er schon seine nächsten Reisewünsche - am liebsten würde er nach China und Rußland pilgern.