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Kampf muss nicht sein

Von Brigitte Pechar

Analysen

Es geht um den wichtigsten Job der SPÖ. Die Wege dorthin sind durchaus vielfältig. Eine Analyse.


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Wien. Der Gemeindebau ist ein Symbol für das Rote Wien. Er war gedacht als Bollwerk gegen den "Klassenfeind" - was im Bürgerkrieg auch tatsächlich unter Beweis gestellt wurde - und er war mit seinen hellen Räumen mit WC und Bad in der Wohnung Symbol für den Aufbruch in eine neue Zeit. Das Rote Wien ist jener Ort, an dem die Sozialdemokratie seit nunmehr fast 100 Jahren - mit Unterbrechung durch den Nationalsozialismus - den Staat im Staat verwirklichen kann.

Der Parteivorsitz in der Bundeshauptstadt ist daher innerhalb der SPÖ eine zentrale, wenn nicht die zentrale Machtposition. Müsste sich die SPÖ entscheiden, ob sie lieber den Bundeskanzler oder den Wiener Bürgermeister stellt, wäre die Sache wohl schnell geklärt: In Wien schlägt das Herz der SPÖ, weshalb die Partei ohne den Kanzlerposten leben kann, aber nur schwer ohne das Rathaus. Entsprechend intensiv wird daher die Nachfolge für Wiens Bürgermeister und Parteichef Michael Häupl innerhalb und außerhalb der SPÖ geführt. Mit Andreas Schieder und Michael Ludwig konkurrieren derzeit zwei Kandidaten für die zwei wichtigsten Jobs in der Partei.

Kräfteverhältnisderzeit völlig offen

Dass es mehrere Bewerber gibt, ist nicht neu. Häupl musste sich 1993 sogar gegen zwei weitere Kandidaten durchsetzen. Der damalige SPÖ-Vorsitzende Vizebürgermeister Hans Mayr war zwar klar auf der Seite Häupls, mit dem damals mächtigen Simmeringer Bezirkschef Johann Hatzl und Innenminister Franz Löschnak gab es aber zwei schwergewichtige Konkurrenten. Ein Showdown beim Parteitag bleibt allerdings aus. In einer Vorwahl einigte auf Häupl, der schließlich mit 83,1 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt wurde, bei seiner Wiederwahl 1995 erhielt er bereits 95,8 Prozent.

Gut möglich also, dass sich neben Schieder und Ludwig noch andere Anwärter auf den Wiener Parteivorsitz outen und am Ende beim Parteitag am 27. Jänner trotzdem nur ein Kandidat - oder vielleicht sogar eine Kandidatin - zur Wahl steht.

Sollte es doch zu einer Kampfabstimmung kommen, ist deren Ausgang aus heutiger Sicht noch vollkommen offen. Dass die Flächenbezirke geschlossen den jetzigen Wohnbaustadtrat, den Floridsdorfer Ludwig, und die Innergürtelbezirke den geschäftsführenden SPÖ-Klubchef im Bund, den Penzinger Schieder, unterstützen, dürfte jedenfalls kein zulässiger Schluss sein. Denn nach Schieders Bekanntgabe, gegen Ludwig in den Ring zu steigen, haben etwa Landtagspräsident Harry Kopietz (Floridsdorf) oder Gemeinderatsvorsitzender Thomas Reindl (Donaustadt) ihre Unterstützung für Schieder kundgetan.

Insgesamt zählt der Delegiertenkreis zum Parteitag aktuell 981 Mitglieder. Zu den 600 Bezirksdelegierten kommen noch 157 Abgesandte des Wiener Ausschusses. Dabei handelt es sich um das größte Gremium der Landespartei, in dem die Parteispitze, Gemeinderäte und Bezirksvorsteher genauso vertreten sind wie rote Mitglieder der Bundesregierung. Weiters sind auch 204 Vertreter von rund 30 roten Organisationen stimmberechtigt, wovon allein 120 von der Gewerkschaft gestellt werden. Der Rest der Delegierten entfällt auf Vorfeld- und Teilorganisationen. Die Gesamtzahl von 981 machen dann Abgeordnete vom Wiener Prüfungsausschuss (18) und Wiener Frauenkomitee (2) voll.

Parteichef und Bürgermeister können auch getrennt sein

Teilen und herrschen ist eine weitere Option im roten Spiel um Macht. In diesem Fall könnten die beiden Spitzenpositionen personell getrennt werden, wie es etwa unter dem legendären Duo Helmut Zilk als Bürgermeister und Hans Mayr als SPÖ-Vorsitzender der Fall war. Das hat auch Häupl noch selbst erlebt, der 1993 als Parteichef begann und Zilk erst 1994 als Stadtchef ablöste. Die Rolle des populären Zilk würden manche in der SPÖ und den Medien gerne mit Noch-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner besetzt sehen. Sie verkörpert eine neue Generation und würde einen deutlicheren Kontrapunkt zu Häupl bilden als Schieder und Ludwig. Und die erste Frau als Bürgermeisterin wäre sie auch noch. Allerdings ist sie überhaupt erst seit wenigen Monaten Mitglied der SPÖ, verfügt also über keine eigene Machtbasis.

Wien hat sich seit dem EU-Beitritt 1995 enorm entwickelt und präsentiert sich heute als jung, dynamisch, weltoffen. Vielen europäischen Städten gilt Wien als Vorbild beim Wohnbau und beim öffentlichen Verkehr. Wer als Wiener Berichte über Berlin liest und die völlige Überforderung der deutschen Hauptstadt mit jeder Art von Verwaltung - von der Müllabfuhr bis hin zum Standesamt - erfährt, ist erstaunt, denn Ähnliches kann von Wien nicht berichtet werden.

Aber zurück zur Personalpolitik: Wenn Schieder doch Ende Jänner nach Wien übersiedeln sollte, fehlt der SPÖ ein geschäftsführender Klubobmann im Nationalrat. Dort sind die Wiener sehr stark vertreten. Von den 52 SPÖ-Abgeordneten kommen 15 aus Wien - vier davon allerdings von der Bundesliste.