Ende September wird mit Peking Daxing der größte Flughafen der Welt in Betrieb gehen - nach einer rekordverdächtig kurzen Bauzeit. Die Slots sind heiß begehrt und verschärfen die Konkurrenz unter den staatseigenen Fluglinien.
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Peking/Wien. Es war eine symbolische Parade: Als erstes Flugzeug setzte ein A380 der Fluglinie China Southern zur Premieren-Testlandung am Flughafen Peking Daxing auf. Es folgten ein A350 von China Eastern, eine Boeing 747-8 von Air China sowie eine Boeing 787-9 von Xiamen Airlines. Mit diesem ersten Probebetrieb wurden die Besitzansprüche und Machtterritorien am künftig größten Flughafen der Welt noch einmal abgesteckt. Denn um die Landeslots an diesem Flugverkehrsknoten, der als Prestigeprojekt der Volksrepublik gilt, ist in den vergangenen Monaten unerbittlich gekämpft worden. Dabei geht es nicht nur um das Prestige, sondern auch um handfeste ökonomische Interessen am größten Flugmarkt der Welt.
2014 hat China den Grundstein für dieses Bauwerk der Superlative gelegt, rund drei Jahre nach der Entscheidung für den Bau. Die Bauarbeiten sind nun abgeschlossen, die Eröffnung ist für den 30. September geplant. Der Entwurf für den Terminal stammt von der 2016 verstorbenen, britischen Star-Architektin Zaha Hadid und erinnert von oben an einen Seestern, was kurze Wege ermöglichen soll. Vom zentralen Punkt des Terminals sind es bis zum entferntesten Abflug-Gate nicht mehr als 600 Meter, wodurch Passagiere trotz der immensen Größe nie länger als acht Minuten zu Fuß laufen müssen.
Da der neue Flughafen rund 50 Kilometer südlich des Stadtzentrums gelegen ist, wird er auch der weltweit erste sein, unter dem ein Hochgeschwindigkeitszug durchführt. Die insgesamt 92,4 Kilometer lange Strecke verbindet den Flughafen auch mit der aus dem Boden gestampften Wirtschaftszone Xiongan und wird Geschwindigkeiten von bis zu 350 Stundenkilometern ermöglichen.
Und auch in anderen Bereichen wollen die Chinesen Maßstäbe setzen, wie Projektleiter Li Jianhua erklärt: "Wir nutzen für dieses Projekt die fortschrittlichste 5G-Technologie weltweit. Viele der Kontrollen funktionieren mit Gesichtserkennung. Unsere Sicherheitsverwaltung ist die bislang strengste in China." Woran angesichts der schon jetzt peniblen Sicherheitsmaßnahmen am bisherigen Hauptstadtflughafen kein Zweifel besteht.
Stolz und Begehrlichkeiten
Dieser, zuletzt 2008 ausgebaut, soll mit der Eröffnung von Peking Daxing mitnichten seinen Betrieb einstellen, sondern entlastet werden. Der Beijing Capital International Airport ist mit einem Passagieraufkommen von knapp 100 Millionen Personen bereits der zweitgrößte Flughafen der Welt. In Zukunft soll Peking Daxing bei voller Auslastung jährlich mehr als 130 Millionen Menschen transportieren sowie vier Millionen Tonnen Fracht abfertigen.
Solche Zahlen wecken in China nicht nur Stolz, sondern auch Begehrlichkeiten. So ist zwischen den staatseigenen Fluglinien Air China, China Eastern und China Southern ein brutales Gezerre um die wertvollen Slots entbrannt. Die Palastintrigen eröffnen auch einen seltenen Einblick, wie Politik, Staatsdirektiven und Marktwettbewerb im modernen China miteinander verflochten sind.
Noch im Jänner veröffentlichte die Staatliche Verwaltung für Zivile Luftfahrt (CAAC) einen Plan, wonach China Eastern und China Southern alle ihre Flüge zum neuen Flughafen verlegen würden. Jede Gesellschaft hätte demnach jeweils 40 Prozent der Verkehrsressourcen des neuen Airport bekommen, während der alte Hauptstadtflughafen zur exklusiven Homebase von Air China werden sollte. Das wiederum passte China Eastern nicht, denn die Fluglinie wollte die hochlukrative Verbindung zwischen Schanghai und dem Hauptstadtflughafen unbedingt halten, welche bevorzugt von Geschäftsleuten und Vielfliegern genutzt wird.
Vor einigen Wochen legte die CAAC nun überraschend einen neuen Plan vor. Demnach gibt China Eastern zehn Prozent seiner Peking Daxing Slots an Air China ab, womit letztere nun ebenfalls einen Fuß in der Tür am künftig größten Flughafen der Welt hat. Ein harter Konkurrenzkampf um Fluggäste, welchen die CAAC mit dem ursprünglichen Plan wohl verhindern wollte, ist dadurch nur eine Frage der Zeit.
Laut der Hongkonger Tageszeitung "South China Morning Post" sollen chinesische Spitzenpolitiker zugunsten von China Eastern interveniert haben. Deren Lobbyisten scheinen verzweifelt um ihre Peking-Schanghai Verbindung gekämpft zu haben, die für mehr als zehn Prozent der Gesamteinnahmen der Fluglinie mit Sitz in Schanghai verantwortlich ist.
Investitionen im Heimmarkt
China Southern, die dritte Fluglinie mit Sitz in Guangzhou, spielt am nordchinesischen Markt eigentlich eine untergeordnete Rolle und hofft auf einen Joker im Poker um Slots und Passagiere. Die besten Karten scheint jedoch Air China zu haben, die im Jahr 2018 einen höheren Netto-Profit hatte als China Eastern und China Southern zusammengenommen. Die Ressourcen werden nötig sein, immerhin muss das Unternehmen künftig zwei Mega-Flughäfen bespielen. Dementsprechend hektisch verlaufen hinter den Kulissen Verhandlungen mit bei Chinesen populären Tourismus-Destinationen wie Paris, Seoul oder Tokio. Auch im Heimmarkt wird investiert: Bis 2030 sollen in China 216 neue Flughäfen gebaut werden, womit sich deren Zahl auf 450 fast verdoppelt.
Ausländische Fluglinien verhalten sich einstweilen eher abwartend. Die großen US-Anbieter folgen weitgehend ihren chinesischen Partnern, mit denen sie Buchungssysteme und Informationen teilen. Zudem leben viele ausländische Facharbeiter und Geschäftsleute im Norden von Peking - also dort, wo sich auch der bisherige Hauptstadtflughafen befindet. Bei der AUA heißt es, es gebe derzeit keine Pläne, Peking Daxing anzufliegen. Währenddessen sind im Sommerflugplan fünf wöchentliche Flüge zum Hauptstadtflughafen vorgesehen.