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Kampf um den Richtwertmietzins

Von Nina Flori

Politik

Immobilienwirtschaft will den Richtwertmietzins dem Marktpreis anpassen.


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Wien. Es war ein herber Rückschlag für die Vermieterseite, den sie vergangene Woche einstecken musste. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat den Antrag auf Normenkontrolle einiger Vermieter wegen unterschiedlicher hoher Richtwerte in den Bundesländern wegen formaler Mängel zurückgewiesen. Er hat das Verbot eines Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln für nicht verfassungswidrig erklärt und hatte auch an dem gesetzlich verankerten Befristungsabschlag von 25 Prozent nichts auszusetzen.

"Die Entscheidung des VfGH lässt uns ratlos und unbefriedigt zurück", sagte Christoph Kothbauer, Hausverwalter und Immobilienrechtsexperte am Mittwoch in einer vom österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) initiierten Pressekonferenz in Wien. Der Gerichtshof sehe offenbar keinen Anlass, das verkrustete österreichische Mietrecht auch nur partiell in Frage zu stellen. Dass er sich zu den massiv unterschiedlichen Richtwerten in den einzelnen Bundesländern aus formalen Gründen nicht äußern musste, sei besonders bedauerlich.

"Richtwert nur im Burgenland niedriger als in Wien"

Der ÖVI kritisiert, dass die Richtwerte, durch die sich im Großteil der Altbauten der Mietzins errechnet, österreichweit nicht einheitlich geregelt und vor allem in Wien viel zu niedrig seien. Dieser liege bei 5,39 Euro, jener in Vorarlberg bei 8,28 Euro pro Quadratmeter, sagte Kothbauer. Nur der Richtwert im Burgenland sei niedriger als jener in Wien. "Wir sind in acht Ländern in der Nähe des Marktniveaus nur in Wien nicht", konstatierte Kothbauer.

Nicht nachvollziehbar ist für den ÖVI zudem das Verbot eines Lagezuschlags in den sogenannten Gründerzeitvierteln (Teile, des 2., 3., 5., 15., 16., 17., 18. und 20. Bezirks, die in der Zeit von 1870 bis 1917 errichtet worden sind und überwiegend aus kleinen und mangelhaft ausgestatteten Wohnungen bestanden) als verfassungskonform anzusehen. Der VfGH übersehe dabei eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung innerhalb des Preisschutzsystems. "Nur weil in einem Gebiet vor mehr als hundert Jahren überwiegend Substandardwohnungen gebaut wurden, darf heute dort nicht wie überall sonst die Qualität der Wohnumgebung in den Richtwertmietzins eingepreist werden", sagte ÖVI-Geschäftsführer Anton Holzapfel. Das sei eine historische Diskriminierung. Begründet hat der VfGH seine Entscheidung mit dem sozialpolitischen Ziel, Wohnen in zentrumsnaher städtischer Lage zu Preisen zu ermöglichen, die es auch Personen mit mittlerem oder niedrigem Einkommen erlauben, ihren Wohnbedarf in dieser Lage angemessen zu decken.

Die Kluft zwischen Wohnraumsicherung für Mieter und der Sicherung zufriedenstellender Erträge für Vermieter lässt sich seit Jahrzehnten kaum schließen. Das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz (WÄG) 1994, durch das der Richtwertmietzins eingeführt wurde, goutierte jedoch auch die Vermieterseite. Denn ihr wurden ab 1994 zahlreiche Vorteile eingeräumt: Unter anderem konnten Wohnungen der Kategorie C und B nach der Abschaffung der Kategorie-Mietzinse wesentlich teurer vermietet werden, bei brauchbaren Kategorie D-Wohnungen wurde der Mietzins verdoppelt und auch die Indexanpassung bei alten Kategorie-Zinsverträgen wurden doppelt so schnell durchgeführt. Hinzu kam, dass bei unbefristeten Verträgen eine dreijährige Frist eingeführt wurde, nach deren Ablauf zu hohe Mietzinsvereinbarungen nicht mehr beanstandet werden konnten.

"Die Einführung des Richtwertmietzinses 1994 hat die damaligen Kategorie-A-Wohnungen deutlich günstiger gemacht, war aber von der Mieterseite teuer erkauft", sagt dazu Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es zeuge nicht gerade von besonderer Pakttreue, wenn sich die Vermieterseite nun mittels VfGH an einen Teil der Vereinbarungen nicht halten, andererseits aber schon die vielen Geschenke beanspruchen wolle.

Mieten in fünf Jahren um 15 Prozent gestiegen

Und das, obwohl die Mieten zwischen 2011 und 2015 in Österreich ohnehin um 15 Prozent gestiegen sind. Vor allem der Preis für Privatmieten verteuerte sich überdurchschnittlich. Den Materialien der Gesetzgebung zufolge sollte das Richtwertsystem die Auswüchse des Marktes begrenzen. "Natürlich muss der Richtwert daher unter dem Marktniveau liegen", sagt Rusifka. Alles andere mache eine Preisbegrenzung obsolet.

Der ÖVI meint hingegen, dass in einem Land wie Österreich, in dem 60 Prozent der Haushalte durch den sozialen Wohnbau versorgt werden (siehe Grafik), die Frage der Leistbarkeit nicht vorrangig auf dem Rücken der privaten Vermieter gespielt werden dürfe. Auch wenn man sich keine großen Chancen ausrechne, werde man, was die Höhe der Richtwertzinse in den einzelnen Bundesländern betrifft, einen neuen Antrag beim VfGH stellen.

Richtungsentscheidungen im Wohnrecht sind nun aber vor allem von der Politik gefragt. Doch die Gräben zwischen den Lagern sind hier tief: Während die SPÖ Zu- und Abschläge zum Richtwertmietzins gesetzlich verankern will, pocht die ÖVP auf die Abschaffung des "Mietadels", also jener Mieter, die alte Mietverträge zu günstigen Konditionen weitergeben können. Erst Ende August sind die Verhandlungen um ein neues Mietrecht ein zweites Mal gescheitert. Und auch in einer neuen Runde sind wohl keine großen Würfe zu erwarten.