Ausbildungspflicht für Jugendliche bis 18 - andernfalls drohen saftige Strafen.
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Waidhofen/Ybbs. Die Regierung versteht sich und arbeitet eisern. Das war die Hauptbotschaft bei der zweitägigen Klausur der Regierung Faymann II im Schloss an der Eisenstraße im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs. "Zwischen Kuscheln und Streiten liegt Arbeiten", umschrieb Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) den neuen Umgang zwischen SPÖ und ÖVP, der derzeit beschworen wird. Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) unterstrich die neue Harmonie mit einem "sehr geschätzter Herr Bundeskanzler". Und beim Mittagessen nach der Pressekonferenz plauderten die beiden so sinnig, als würden sie einen gemeinsamen Männerurlaub planen.
Maria Theresia 2.0
Inhaltlich überraschte das Regierungstandem nicht - außer in einem Punkt, der zwar im Regierungsprogramm steht, aber dessen Tragweite erst jetzt erkennbar wurde: einer Ausbildungspflicht für Jugendliche. Dabei handelt es sich um nichts weniger als die Erweiterung der Schulpflicht, die von Maria Theresia 1774 eingeführt wurde und seit 1962 bis zur 9. Schulstufe, also bis zum Alter von 15 Jahren gilt.
Ab 2016 besagt die Ausbildungspflicht nun, dass kein Jugendlicher in Österreich zwischen der Pflichtschule und dem 19. Lebensjahr auf der Straße sein darf. Das entscheidend Neue: Bei Verletzung setzt es "Verwaltungsstrafen wie bei der Schulpflicht", sagt Faymann. Teenager über 15 müssen künftig also entweder in einer Lehre, in der Schule oder in einer staatlichen Lehrwerkstätte sein. Dieses Projekt aus dem Hause von Sozialminister Rudolf Hundstorfer ist der zweite Schritt nach der Ausbildungsgarantie, die seit 2009 gilt.
Trotz dieser Garantie verschwinden pro Jahr rund 10.000 Jugendliche im Nebel aus Schwarzarbeit, Lethargie oder Hilfsarbeit. Eltern dieser Jugendlichen droht künftig eine saftige Verwaltungsstrafe. Bisher konnte eine Verletzung der Schulpflicht mit einer Strafe von bis zu 220 Euro oder einer bis zu zweiwöchigen Freiheitsstrafe geahndet werden. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz erwirkte eine Erhöhung der Strafe auf 440 Euro. Umsetzen müssen die Strafe die Länder und Bezirksbehörden. Auch der Ausweg in die Hilfsarbeit soll versperrt, für Jugendliche ab 2016 de facto verboten werden, heißt es aus dem Sozialministerium zur "Wiener Zeitung". Das sei mit der Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer paktiert. Widerstände musste Hundstorfer nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in den eigenen Reihen überwinden. Besonders die Gewerkschaftsjugend soll mit der Ausbildungspflicht gar keine Freude haben. Intern wertet man die Maßnahme als "Riesenschritt" im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit.
Lost Generation
Derzeit haben rund 50 Prozent der Arbeitslosen nur Pflichtschulabschluss. Da Hilfsarbeiter immer weniger gefragt sind, kommen diese Jugendlichen später immer schwerer aus der Falle heraus. Derzeit sind fast zehn Prozent aller Pflichtschulabgänger arbeitslos, 1980 fanden nur zwei Prozent keinen Job. Zum Vergleich: Nach einer Lehre stehen nur drei Prozent ohne Job da. Das Positive: Die Pflichtschule ist ein Auslaufmodell. Machten die Pflichtschüler 1980 noch die Hälfte aller Arbeitskräfte aus, sind es heute nur noch 20 Prozent. Allerdings ist auch höhere Bildung keine Jobgarantie mehr. Bei Maturanten stieg die Arbeitslosigkeit in zehn Jahren von zwei auf mehr als vier Prozent. Doch die "Lost Generation" speist sich in erster Linie aus dem Pool der Schulabbrecher. Unter den 15- bis 24-Jährigen zählen aktuell 75.000 zu dieser "Lost Generation".
Mit dieser Maßnahme, die sich am niederländischen Beispiel orientiert, baut die österreichische Regierung ein Erfolgsmodell aus. Denn die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Österreich mit 8,6 Prozent nach EU-Berechnung am zweitbesten Platz hinter Deutschland (7,5 Prozent). EU-weit liegt die Quote bei fast 24 Prozent, in Krisenländern wie Spanien und Griechenland bei mehr als 50 Prozent. Entsprechend groß ist das internationale Interesse am österreichischen Modell.
Dass die Regierung dem Thema besondere Aufmerksamkeit einräumt, hat auch mit der EU-Wahl im Mai zu tun. Denn die "soziale Heimatpartei" FPÖ sitzt SPÖ und ÖVP im Nacken. Da ist jede Erfolgsmeldung in der internationalen Presse über das "Austrian Model" nur recht. Das ist allerdings nur so lange ein Erfolgsmodell, so lange Betriebe noch Lehrlinge ausbilden. Und hier geht die Tendenz seit Jahrzehnten nach unten. Das Vakuum füllt der Staat mit überbetrieblichen Bildungswerkstätten. Doch die sind wesentlich teurer als Lehrplätze.
Jobturbo für Ältere
Am anderen Ende des Arbeitsmarktes, bei den über 50-Jährigen, will die Regierung jährlich 350 Millionen Euro aus dem Arbeitsmarktbudget in Lohnsubventionen stecken, damit die hohe Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe endlich wieder sinkt. Konkret heißt das: Bekommt ein Älterer 800 Euro Arbeitslosengeld und der Lohn in einem potenziellen Job beträgt 1500 Euro, muss das Unternehmen nur 700 Euro Lohn zahlen. Dadurch hofft die Regierung, 15.000 Arbeitslose unterzubringen.
Bei derzeit bestehenden "Wiedereingliederungsbeihilfen" liegt die Erfolgsquote bei über 60 Prozent. Allerdings wird sich erst zeigen, ob der Großteil der geförderten Älteren in "echten" Jobs landet oder auf dem sogenannten sekundären Arbeitsmarkt, also in geförderten Arbeitsstätten für Wiedereinsteiger, die sich schwer tun. Damit ist der Lackmustest bei Jugendlichen und Älteren, ob die Wirtschaft das Angebot auch annimmt oder der Staat am Ende mit dem Arbeitslosengeld Ersatzarbeitsplätze bezahlt - und die Arbeitslosigkeit damit nur versteckt -, geschaffen.