Es geht ums Geschäft, es geht aber auch um ehrbaren Journalismus. Zwischen den Massenblättern "Kurier" und "Heute" fliegen die Fetzen.
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Man hätte die Konferenzen über Zeitungen und Qualitätsjournalismus, die in der vergangenen Woche serienweise und deshalb überraschend losbrachen, gar nicht gebraucht, um eines zu konstatieren: Die Lage in der Medienbranche ist zugespitzt und explosiv. Es riecht nach Zeitungskriegen.
"Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter schloss die bewegte Woche mit einem feurigen Plädoyer für die Pressefreiheit, die in Österreich wegen der auch an dieser Stelle schon öfter beschriebenen Sonderform politischer Korruption durch Werbegelder aus Steuertöpfen gefährdet sei. "Wir nicht!", schrieb Brandstätter und zeigte auf andere, beispielsweise auf manche "HerausgeberInnen", die Politiker nach dem Motto unter Druck setzten: "Entweder es gibt Kohle, oder es werden Watschen verteilt." So etwas soll ja tatsächlich vorkommen und wäre der Anfang vom Ende einer glaubwürdigen Information der Bürger.
Das Wort "HerausgeberInnen" mit dem gendergerechten Binnen-i für beiderlei Geschlechter erwies sich freilich als codiertes Geschoss ins feindliche Lager. Es gibt nur eine weibliche "HerausgeberIn", nämlich die Chefin der Gratiszeitung "Heute", Eva Dichand, und Brandstätters Post kam prompt bei ihr an. Man muss vorausschicken, dass sich Eva Dichand derzeit auf einem papierenen Höhenflug befindet. Der Gratisvertrieb der U-Bahn- und Straßenbahnpostille "Heute" sprang im zweiten Halbjahr 2010 allein Wien um rund 35.000 Stück auf 373.948 Exemplare. Diese werden in Wien von Montag bis Freitag von mehr Wienern in die Hand genommen als etwa die "Krone" oder gar der "Kurier", dessen gesamte Druckauflage für Wien nicht einmal 120.000 erreicht.
Hier fährt eine Gratiszeitung gegen eine umfangreiche Kaufzeitung auf, und der "Kurier" hat, um seinen Qualitätsstandard halten zu können, soeben seinen Abonnementpreis erhöht, während sich "Heute" aus Inseraten und ähnlichen Werbeaufträgen finanziert. Dahinter verbirgt sich ein fast weltweites Problem der klassischen, von ihren Lesern bezahlten Zeitungen, die aus jahrzehntelanger Erfahrung wissen, dass umfassende und seriöse Information nicht kostenlos geboten werden kann.
Zugleich offenbart sich auch ein spezielles "Kurier"-Problem. Diese Zeitung war schon vor vier Jahrzehnten durch eine Billigpreisoffensive der "Krone" in die Defensive getrieben worden. Jetzt muss er soeben wieder zusehen, dass einerseits sein Mediaprint-Partner "Krone" auf der Billigschiene verharrt, während die familiär mit der "Krone" verbundene Zeitung "Heute" den angestammten "Kurier"-Markt in Wien und Umgebung besetzt, indem sie sich an ihre flüchtigen Diagonalleser verschenkt.
Eva Dichands Antwort auf den "Kurier"-Leitartikel beginnt zwar mit "Lieber Herr Dr. Brandstätter", doch ist jeder weitere Satz beinhart. Der "Kurier" kassiere viel Geld von der Wirtschaftskammer, schreibt sie. Er gehöre mehrheitlich dem Raiffeisenkonzern, was ja niemand bestreitet. Allerdings: Im Fall "Kurier" weiß man wenigstens, wer dahintersteckt, während Eva Dichand sich vor genau einer Woche in einer öffentlichen Diskussion in der Hofburg wie schon so oft hartnäckig weigerte, die Eigentumsverhältnisse von "Heute" offenzulegen (dieses gehört einer Stiftung).
Es kracht also heftig, und wie die Dinge liegen, könnte es sich dabei erst um den Probebetrieb im medialen Böllerschießen handeln.
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "SN".