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Kampf um Schröders letzte Bastion

Von Georg Friesenbichler

Politik

Selten hat man in Berlin so gespannt auf eine Landtagswahl geblickt wie am kommenden Sonntag. In Nordrhein-Westfalen entscheiden 13,3 Millionen Bürger nicht nur darüber, ob die SPD-Vorherrschaft nach 39 Jahren beendet wird, sondern auch über das Schicksal der letzten noch verbliebenen rot-grünen Landesregierung. Auswirkungen auf die deutsche Bundespolitik sind programmiert.


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Zwar würde auch ein Sieg von CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers, der sich auf eine Koalition mit der FDP festgelegt hat, im Bundesrat, der Länderkammer, den Konservativen und Liberalen keine Blockade-Mehrheit von zwei Dritteln bringen. Allerdings verhieße für Bundeskanzler Gerhard Schröder ein solches Ergebnis für die Bundestagswahl im Herbst 2006 nichts Gutes. FDP-Chef Guido Westerwelle drängte denn auch schon vor dem Wahlgang auf vorgezogene Neuwahlen im Bund, der Kanzler ließ verlauten, dass er nicht an vorzeitiges Aufgeben denke.

Für CDU-Chefin Angela Merkel geht es gleichfalls um viel: Würde das Bundesland mit fast einem Fünftel der deutschen Wahlberechtigten gewonnen, könnte ihr die Herausfordererrolle bei den Bundestagswahlen nicht mehr zu nehmen sein, heißt es an der Unionsspitze. Für Westerwelle geht es nicht zuletzt auch um die Bestätigung seines auch innerhalb seiner Partei nicht unumstrittenen Kurses. Im Februar hatten die Liberalen in Schleswig-Holstein noch Verluste eingefahren und waren deshalb nicht wie erhofft in die Landesregierung eingezogen.

Im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland allerdings hat sich Spitzenkandidat Ingo Wolf die Latte wesentlich höher gelegt - mehr als 10 Prozent will er erreichen. Damit will er vor den Grünen bleiben, denen unter ihrem Führungs-Duo, Bundesumweltministerin Bärbel Höhn und Bauminister Michael Vesper, Zugewinne vorausgesagt werden. Die Meinungsumfragen sehen die beiden Mittelparteien allerdings Kopf an Kopf.

Über Nordrhein-Westfalen hinausgehende Auswirkungen könnte auch die Beantwortung der Frage haben, wie weit sich die Kapitalismus-Kritik von SPD-Vorsitzendem Franz Müntefering auf das Wahlergebnis auswirkt. SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück hat Münteferings Schelte mit zurückhaltenderen Worten unterstützt. Die NRW-Genossen wollen herausbekommen haben, dass die Botschaft bei Stammwählern, die im Jahr 2000 der Wahl ferngeblieben waren, gut ankommt.

Auf eine ähnliche Klientel zielt aber auch die PDS und die von enttäuschten Sozialdemokraten und Gewerkschaftern gegründete neue Linkspartei WASG, die erstmals bei einer Wahl in Deutschland antritt. Vom Ziel, auf Anhieb den Einzug in den Landtag zu schaffen, sehen Meinungsforscher die Partei "Arbeit und soziale Gerechtigkeit - Die Wahlalternative", freilich weit entfernt. Keine Chancen werden der rechtsextremen NPD eingeräumt.