Nairobi - Als die Wasserlieferung im ausgedörrten Nordosten Kenias ankam, griffen die Affen an. Um an die gefüllten Wasserkanister zu kommen, verletzten die durstigen Primaten vor einigen Monaten zehn Menschen in der Region Mandera. Die Dorfbewohner bewaffneten sich und erschlugen zehn der tierischen Angreifer. Ein Kampf ums Wasser, wie er in Afrika nicht alltäglich ist. Alltäglich ist allerdings die ungleiche Verteilung des lebensnotwenigen Grundstoffes.
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"Doch der Konflikt um die abnehmende Ressource wird auch auf diesem Kontinent immer wahrscheinlicher", sagt David Smith, Wasserexperte beim UNO-Umweltprogramm (UNEP) mit Blick auf den Weltwassertag an diesem Donnerstag. "Anders als im Nahen Osten wird er hier noch nicht zwischen Ländern ausgetragen, sondern zwischen Arm und Reich."
Regionales Ungleichgewicht
Den hohen Preis, den Julius Savakaji für 20 Liter Wasser zahlt, kennt kaum einer der reichen Europäer, die in den besseren Wohnvierteln der kenianischen Hauptstadt Nairobi leben. Umgerechnet sieben Schilling, das ist mehr als viele Kenianer am Tag verdienen, zahlt Savakaji dafür in seinem Slum. Im nur wenige Kilometer entfernten Luxusstadtteil Muthaiga hingegen kosten 1000 Liter klares Wasser aus einem Bohrloch gerade mal das Doppelte. "Das Ungleichgewicht", sagt Smith, "ist bezeichnend für den ganzen Kontinent.
Savakajis Nachteil ist, dass er wie rund 300 Millionen andere Afrikaner nicht an eine Wasserleitung angeschlossen ist, sondern die schmuddelige Brühe in Kanistern am Straßenrand kaufen muss. Unterhalb der Sahara hat lediglich die Hälfte aller Menschen regelmäßigen Zugang zu halbwegs sauberem Wasser. Pro Jahr sterben in dieser Region rund drei Millionen Menschen an Durchfallerkrankungen wie Cholera und Typhus, weil sie verschmutztes Wasser getrunken haben.
Teufelskreis
"Es ist ein ewig währender Teufelskreis", sagt UNEP-Gesundheitsexperte Hiremagular Gopalan: "Die Armen erkranken, weil sie zu arm sind, sich sauberes Wasser zu kaufen und werden dadurch noch ärmer." Ihre Kosten für medizinische Versorgung überstiegen dadurch im Verhältnis die der Reichen um ein Vielfaches.
Die Wasserknappheit, unter der schon jetzt 14 afrikanische Länder massiv leiden und deren Zahl sich innerhalb der nächsten 25 Jahre nahezu verdoppeln wird, ist nach Ansicht von Wissenschaftlern jedoch nicht ausschließlich naturgemacht. "Das Traurige ist, dass sich die Situation mit wenig Geld und viel politischem guten Willen verbessern ließe und dass es trotzdem so schleppend geschieht", meint Wasserexperte Smith.
In Flussbecken wie dem Kongo, dem Nil oder dem Sambesi sowie dem Viktoriasee als zweitgrößtem Süßwassersee der Welt habe der Kontinent große Wasserressourcen. Marode Wasserauffangsysteme, leckende Leitungen und die gedankenlose Abholzung der Wälder sorgen dafür, dass bis zu 60 Prozent dieser Wasserreserven schlichtweg versickern oder verdunsten. "Würde man diese Mengen nutzen, wäre den meisten Menschen schon geholfen", sagt Smith.
In zahlreichen Staaten, insbesondere im Süden des Kontinents, gebe es bereits Lichtblicke. So zähle Namibia, das unter extremer Wasserarmut leide, inzwischen nach Israel und Jordanien zu den stärksten Wasseraufbereitern weltweit. "Die Politiker in Afrika müssen erst begreifen, dass Wasser, Gesundheit, Reichtum und Macht stark miteinander verbunden sind", meint Smith.
Änderungen nicht in Sicht
Doch bis dahin, meint Slumbewohner Savakaji, werde noch viel Wasser den Nil heruntergeflossen sein. Er zeigt auf die Meldung einer Tageszeitung, nach der in der kenianischen Stadt Embu gerade 57 Menschen an Typhus gestorben und rund 900 in Kliniken eingeliefert worden sind. Ein undichter Kloaketank hatte das Wassersystem verseucht. In derselben Zeitungsausgabe ist über eine umstrittene Ankündigung der kenianischen Regierung zu lesen. Sie will zehn Prozent des landesweiten Waldbestands abholzen, um Siedlerland zu gewinnen.