)
Seit Jahren hat es auf Madagaskar nicht geregnet. Der Insel droht eine einzigartige Hungerkatastrophe.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Klimawandel sorgt dieser Tage nicht nur in Südeuropa für Umweltkatastrophen. Auf Madagaskar haben die Verschiebungen bereits weit dramatischere Folgen: Hier droht eine einzigartige Hungersnot.
In einigen Gegenden im Süden der dem afrikanischen Kontinent vorgelagerten Insel hat es seit Jahren nicht mehr geregnet. Die Hilfsorganisation Save the Children spricht von der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren. Regional leide jedes sechste Kind an Unterernährung und sei am Rand des Hungertods. "Wir sehen viele hungrige Kinder mit leerem Blick, die nach Essbarem suchen - wie kann die Welt da wegschauen?", so die die zuständige Regionaldirektorin von Save the Children, Yvonne Arunga. Die Jungen treffe es am schlimmsten, weil wichtige Nähstoffe für die Entwicklung fehlten und die Kinder wegen des Hungers nicht mehr am Schulunterricht teilnehmen könnten.
Vanille und Glimmer
In einer neuen Studie hat das Welternährungsprogramm die Lage als internationalen "Hunger-Hotspot" eingestuft, für den allerhöchste Alarmstufe gilt. Von rund 1,1 Millionen Menschen mit akuter Nahrungsmittelknappheit drohe 28.000 bis Jahresende der Hungertod.
"Wir sehen völlig mittellose Menschen, die buchstäblich nichts zu essen haben und ums nackte Überleben kämpfen", sagt die lokale Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen, Julie Reversé. Die schlechten Straßenverhältnisse erschwerten Hilfslieferungen weiter.
Madagaskar, bei einer Bevölkerung von 28 Millionen Einwohnern rund 1,6 Mal so groß wie Deutschland, ist bitterarm und von internationaler Hilfe abhängig. Neun von zehn Menschen leben von weniger als zwei Dollar am Tag. Das Land kann sich mit der Produktion von Vanille und dem Export von Rohstoffen wie Glimmer nicht über Wasser halten. Dazu kommt eine politisch extrem instabile Situation. Seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 hat die viertgrößte Insel der Welt eine ganze Reihe gewaltsamer Unruhen und Putsche durchlebt. Immer wieder kommt es zu Attentaten auf Politiker, zuletzt konnte ein Anschlag auf Staatspräsident Andry Rajoelina in letzter Sekunde vereitelt werden.
Der 47-jährige Staatschef hat nach der Entmachtung seines Vorgängers Marc Ravalomanana 2009 mit Hilfe des Militärs die Macht übernommen. Im Dezember des Jahres 2018 wurde er in einer von Betrugsvorwürfen überschatteten Wahl zum Präsidenten gewählt.
Kinderarbeit in den Minen
Hunger, politische Unruhen, Corona: Zu den Katastrophen kommen soziale Missstände wie die weit verbreitete Kinderarbeit. Um an den in der Auto-, Kosmetik- und Elektroindustrie begehrten Glimmer heranzukommen, werden in 13 Minen mehr als 10.000 Kinder eingesetzt. Das sind 50 Prozent der Arbeiter. Die Jüngsten sind laut einem Bericht des Kinderhilfswerks "Terre des Hommes" nicht älter als fünf Jahre. Ihr täglicher Lohn - zwischen 27 Cent und 3 Euro - ist mehr als karg bemessen. Wegen ihrer kleinen Körpergröße werden die Kinder dazu eingesetzt, Brunnen und Tunnel zu graben, aus denen sie im Anschluss die Mineralsteine schürfen.
Die Jüngsten werden beim Sortieren der Glimmer-Stücke eingesetzt. Die Kinder leiden laut Bericht an Rücken- und Kopfschmerzen, an Wassermangel und Schnittwunden an Händen und Füßen. Der Gesteinsstaub ruft Husten und Lungenerkrankungen hervor. Die Minderjährigen werden von ihren verzweifelten Eltern in die Minen geschickt, um ein zusätzliches Einkommen für ihre Familie zu erwirtschaften.