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Kampf zweier ewiger Polit-Feinde

Von Gerhard Lechner

Politik

Premier Berisha und Oppositionschef Rama peitschen Stimmung auf. | Regierung attackiert Justiz. | Klima seit Jahren extrem angespannt. | Tirana/Brüssel/Wien. So viel steht fest: Freunde werden Albaniens Regierungschef Sali Berisha und Oppositionschef Edi Rama nicht mehr. "Herr Rama hat einen Putsch organisiert. Er und seine Erzschurken sind über den Regierungssitz hergefallen", ließ der konservative Premier kürzlich über seinen sozialistischen Rivalen verlauten. | Interview mit dem Historiker Martin Prochazka


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Der wiederum bezeichnete die Regierung als "korrupte Bande" und als Wahlfälscher.

Die Eskalation der politischen Gewalt in Albanien ruft mittlerweile auch EU und USA auf den Plan: Während die Europäische Union am Mittwoch den früheren slowakischen Außenminister Miroslav Lajcak nach Tirana sandte, schickte die US-Regierung ihren Botschafter Alexander Arvizu zu Berisha. Der sagte dann auch prompt eine für Samstag geplante Demonstration seiner Unterstützer ab.

Der Konflikt zwischen dem Premier und seinem exzentrischen Herausforderer - Rama hat sich als Künstler international einen Namen gemacht und als Bürgermeister die grauen Häuser der Hauptstadt Tirana in bunten Farben anstreichen lassen - prägt Albaniens Politik bereits seit Jahren. Am Freitag kam es dabei zu einem traurigen Höhepunkt: Bei einer Demonstration der Opposition in Tirana mit rund 20.000 Teilnehmern eskalierte die Situation. Die stundenlang mit Steinen und Holzlatten beworfene Polizei setzte zunächst Gummigeschosse ein. Schließlich wurde aber auch mit scharfer Munition geschossen. Das Ergebnis waren drei tote Demonstranten und Schuldzuweisungen an die Adresse des politischen Gegners.

"Schurken", "Bande"

Das politische Klima in Albanien ist seit langem angespannt. Seit den Parlamentswahlen im Juni 2009 spitzte sich die Situation jedoch mehr und mehr zu. Offiziell hat sie Premier Berisha knapp für sich entschieden, auch EU-Beobachter bezeichneten den - von Kennern der Region kritisierten - Urnengang als ordnungsgemäß. Der Oppositionschef lief jedoch gegen das Ergebnis Sturm: Im vergangenen Frühjahr organisierte Rama einen Hungerstreik, um die Öffnung von Wahlurnen und eine Neuauszählung der Stimmen zu erzwingen. Dazu boykottierte die Opposition das Parlament und blockierte Abstimmungen. Als vor elf Tagen noch Vizepremier und Wirtschaftsminister Ilir Meta wegen eines Korruptionsskandals zurücktreten musste - ein Video hatte den Minister gezeigt, wie er den Auftrag gab, öffentliche Aufträge zu manipulieren -, steigerte sich die Erregung in Albanien bis zur Eskalation am Freitag. Meta ist Chef einer Kleinpartei, die ursprünglich mit den Sozialisten koalierte und dann zu Berisha wechselte.

Der Premier kämpft allerdings nicht nur gegen die Opposition: Auch mit der ursprünglich von ihm installierten Generalstaatsanwältin Ina Rama - die nicht mit dem Sozialisten-Chef verwandt ist - liegt er im Clinch. Die Juristin, die sich als mutige Kämpferin gegen Korruption einen Namen gemacht hat, hat Haftbefehle gegen mehrere Sicherheitsleute erlassen, die am Freitag auf Demonstranten schossen. Berisha wirft der 38-Jährigen vor, "voll in den Putsch involviert" zu sein - ein direkter Angriff auf die Justiz, von dem sich auswärtige Beobachter schockiert zeigen. Rama, die in Albanien kaum über eine Hausmacht verfügt, hätte sich ohne Unterstützung der USA, so wird geurteilt, nicht halten können.

Justiz unter Kuratel

Eine unabhängige Justiz ist in Albanien kaum vorhanden. Ex-Vizepremier Meta zeigte sich in dem Video, das zu seinem Rücktritt führte, dann auch betont unbeeindruckt vor juristischer Verfolgung: Er kenne die zuständige Gerichtspräsidentin und habe ihrerTochter einen Job verschafft. Beobachter halten deshalb eine internationale Untersuchung der Vorfälle vom Freitag für zielführend.

Dazu gibt es bereits erste Schritte: US-Botschafter Arvizu solidarisierte sich demonstrativ mit Staatsanwältin Rama und sagte ihr Unterstützung durch amerikanische Experten zu. Auch die EU zeigt sich aktiv: Nach Lajcak reist Ernst Strasser, ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, nach Tirana. Hoffnung gibt aber vor allem ein Appell von 90 albanischen Organisationen: Sie forderten die Politik auf, die "Sprache des Hasses" einzustellen.