Der pakistanische Geistliche Qadri setzt Regierung ein Ultimatum.
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Islamabad. "Unsere Brust ist bereit für eure Kugeln", rief der islamische Geistliche theatralisch in die Menge, während er hinter einem Kasten aus dickem Panzerglas zu seinen rund 20.000 Anhängern sprach. Die Machtprobe zwischen Maulana Tahirul Qadri und Pakistans von allen Seiten belagerten Regierung geht weiter. Der Prediger setzte am Mittwoch ein 24-stündiges Ultimatum: sofortiger Rücktritt der Regierung, eine Reform des Wahlgesetzes und die Einsetzung einer Übergangsregierung mit Beteiligung von Pakistans mächtigem Militär. "Ich will die Demokratie nicht aushebeln, sonder nur auf den rechten Weg führen", verteidigte er seine Aktion.
Bereits den dritten Tag in Folge campieren Qadri und seine Anhänger im Regierungsviertel von Islamabad. Und sie sehen nicht aus, als würden sie rasch wieder anziehen wollen. Ihre Kampfansage an Pakistans Regierung ist klar. Qadri hat geschworen, nicht eher zu weichen, bis die "Revolution" wie am Tahrir-Platz in Ägypten gegen die "Banditen, Verbrecher und Plünderer" in Parlament und Regierung in Pakistan geglückt ist. Am Dienstag erhielt der Religionsgelehrte Schützenhilfe vom Obersten Gericht, das einen Haftbefehl gegen Premierminister Raja Pervez Ashraf erließ. Pakistans Regierung ist damit politisch schwer angeschlagen.
Manche der Demonstranten meinten danach, den Namen Allahs in den Wolken am Himmel über Islamabad zu erblicken und sahen beim Urteil Gottes Hand im Spiel. Kritiker Qadris hingegen witterten eher den Fuß des Militärs: "Da sind die (Armee-)Stiefel dahinter", sagte die Menschenrechtsanwältin Asma Jahangir. Das Militär könnte der demokratisch gewählten Regierung ein Ende bereiten wollten, bevor ihre fünfjährige Amtszeit im März endet - dann wäre es die erste Regierung in der Geschichte des islamischen Landes, die eine volle Amtszeit durchhält.
Er habe nichts von der Gerichtsentscheidung geahnt, verteidigte sich der islamische Prediger am Mittwoch. Es sei reiner Zufall gewesen, dass die Richter gestern kurz nach seiner Ansprache den sofortigen Haftbefehl gegen den Regierungschef erlassen hätten. Auch eine Nähe zum Militär wollte er sich nicht nachsagen lassen. Doch allein die Tatsache, dass Qadri mit tausenden Anhängern einen Steinwurf von Parlament und Präsidentenpalast in Islamabad ausharren darf, spricht dafür, dass die mächtige Armee den Massenprotest nicht wirklich ungern sieht.
Premier Ashraf ist seit dem Richterspruch nicht aufgetaucht, wohl, weil er fürchten muss, sofort ins Gefängnis zu wandern. Präsident Asif Ali Zardari hält sich lieber in der Hafenstadt Karachi auf statt in der von Demonstranten belagerten Hauptstadt. Die politische Zukunft des Atomwaffenstaates ist ungewiss.