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Kämpfe destabilisieren Südsudan

Von Klaus Huhold

Politik

Rebellen aus Uganda zerstören und plündern Dörfer. | Zehntausende Flüchtlinge nach Gefechten in der Grenzregion Abyei. | Juba. Nach der Euphorie kommen die großen Sorgen. Feierten die Südsudanesen kürzlich noch, dass eine große Mehrheit beim Unabhängigkeitsreferendum für die Souveränität stimmte, brechen nun immer mehr Kämpfe in der Region aus. Diese werfen ein Schlaglicht darauf, mit welchen Problemen der Südsudan schon vor der endgültigen Erlangung seiner Unabhängigkeit, die im Juli ausgerufen werden soll, konfrontiert ist. | Dossier: Südsudan - ein neuer Staat?


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So kam es zu schweren Gefechten in der Provinz Jonglei, wo laut der BBC bereits mehr als 200 Menschen getötet wurden. Es prallen dort die südsudanesische Armee und die Rebellen eines gewissen George Athor aufeinander. Athor war früher selbst Angehöriger der Armee, doch dann fühlte er sich bei den Wahlen im April vergangenen Jahres von der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM), die den Südsudan verwaltet, betrogen. Er scheiterte mit seiner Kandidatur als Gouverneur der Provinz Jonglei und griff zu den Waffen. Die SPLM wirft ihm nun ein Massaker an Zivilisten vor.

Noch ist Athor ein Einzelfall. Das muss aber nicht so bleiben. Das Streben nach Unabhängigkeit hält derzeit laut Beobachtern die Akteure im Südsudan zusammen und überdeckt potenzielle Konflikte.

Doch diese könnten dann nach der Souveränität des Südens ausbrechen. Denn es gibt genügend Problemfelder, die Zündstoff bergen: Da wäre einmal die politische Dominanz der SPLM, der immer wieder vorgeworfen wird, wenig Akteure neben sich zuzulassen. Äußerst heikel ist auch die wirtschaftliche Struktur des Südsudans: Er lebt fast vollkommen von Erdöleinnahmen, sonst gibt es kaum Infrastruktur, die Bevölkerung ist bitterarm. Wer Geld machen will, muss also im Erdölgeschäft mitmischen. Es ist durchaus möglich, dass diejenigen, die meinen, politisch oder wirtschaftlich zu kurz gekommen zu sein, dem Beispiel des abtrünnigen Generals Athors irgendwann folgen und den Aufstand gegen die Regierung proben.

Zudem ist der Südsudan mit einer Bedrohung von außen konfrontiert. Die ursprünglich aus Uganda stammende Lords Resistance Army überfällt (LRA) in entlegen Regionen im Süden immer wieder Dörfer.

Die LRA wird von dem psychopathischen Schlächter Joseph Kony angeführt, der meint, im Auftrag des Heiligen Geistes zu handeln. Die Rebellengruppe mordet, plündert und vergewaltigt. Die südsudanesische Regierung hat nun Dorfgemeinschaften bewaffnet, damit sich diese gegen die LRA wehren können.

Brennende Dörfer

Ein weiterer Brennpunkt ist Abyei, eine Grenzregion zwischen dem Nord- und Südsudan, in der sich wegen anhaltender Gefechte zehntausende Menschen auf der Flucht befinden. Ein von Hollywoodstar George Clooney initiiertes Satellitenüberwachungsprojekt, das die Geschehnisse im Sudan verfolgt, lieferte nun Bilder von niedergebrannten Dörfern in der Region. Mindestens vier Orte und hunderte Häuser wurden kürzlich zerstört.

Örtliche Behörden beschuldigen die sudanesische Zentralregierung im nördlichen Khartum, Milizen zu unterstützen, die für die Angriffe auf die Dörfer verantwortlich sind. Diese Milizen sollen wiederum mit Angehörigen der Ethnie der Misseriya gemeinsame Sache machen. Die Misseriya sind arabische Nomaden, die immer wieder mit den Dinka Ngok, sesshaften Ackerbauern, um Weideland kämpfen.

Doch hat der Konflikt auch eine politische Dimension: Die Misseriya stehen der Regierung in Khartum von Präsident Omar al-Bashir nahe, während die Dinka Ngok mit der den Südsudan verwaltenden SPLM sympathisieren.

Ungelöste Streitfragen

Es ist noch nicht klar, zu welchem Staat Abyei zukünftig gehören wird. Die Region, in der es Erdölvorkommen gibt, sollte in einem gesonderten Referendum darüber abstimmen, ob sie bei Khartum verbleiben will oder sich dem Südsudan anschließt. Doch die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Regierung in Khartum und die SPLM konnten sich noch nicht darauf einigen, wie viele Angehörige der nomadischen Misseriya an der Abstimmung teilnehmen dürfen.

Dies ist nicht die einzige ungelöste Streitfrage zwischen den beiden Seiten. Unklar ist etwa auch, wie die Erdöleinnahmen zukünftig verteilt werden sollen. Die meisten Erdölfelder befinden sich im Süden, während die Pipelines durch den Norden verlaufen, wo sich auch die meisten Raffinerien befinden.

Jahrzehntelang herrschte im Sudan Bürgerkrieg. Der großteils animistische und christliche Süden rebellierte gegen die aggressive Islamisierungs- und Arabisierungspolitik des Regimes in Khartum. Nun bekennen sich beide Seiten dazu, die endgültige Spaltung des Landes friedlich über die Bühne bringen zu wollen. Doch es stehen noch heikle Verhandlungen bevor, die viel Konfliktstoff bergen.