Physisches Üben prägt Verhalten im Geschäftsleben. | Kein Erfolg durch bloßes Kräftemessen. | Wien. Selbstverteidigung und Management - was könnten diese Dinge gemeinsam haben? "Mehr, als man glaubt", versichert Oliver König, seines Zeichens Ost-Europa-Cheftrainer und einer der Geschäftsführer des weltgrößten Kampfkunst-Dachverbandes EWTO, die European Wing Tsun Organisation, gegenüber der "Wiener Zeitung".
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Dabei ist Wing Tsun (WT) nicht als sportlicher Wettkampf konzipiert, sondern als Werkzeug, um die eigenen Ressourcen möglichst trickreich und ökonomisch gegen seinen Konkurrenten einzusetzen. "Durch das körperliche Üben werden gleichzeitig auch Prinzipien und Strategien verinnerlicht", meint König. Es sei erwiesen, dass das Gehirn mehr Inhalte durch praktische Übungen aufnehmen kann als durch Lesen oder Zuhören. "Wenn man etwas körperlich umsetzt, prägt sich das auch innerlich ein - schneller, als wenn man es irgendwo einmal theoretisch gelernt hätte", so König weiter.
Bei Wing Tsun lernt der Manager, mit seinem Gegenüber besser umzugehen. "Das wichtigste Prinzip im Wing Tsun ist der fragende Arm: Man streckt den Arm vor und stellt aufgrund des Gegendrucks fest, wohin das Gegenüber eigentlich will." Nach dieser Kontaktaufnahme ist der geschulte Wing Tsun-Anwender laut König in der Lage, über den weiteren Verlauf des Geschehens zu entscheiden: Er könnte vollen Widerstand leisten und mit einem Kräftemessen beginnen. Aber das wird er nicht machen, meint König. Er wird sein Gegenüber vielmehr ohne Kraftaufwand ins Leere laufen lassen oder seinen Gegner kontrolliert begleiten und den Schwung und damit die Kraft des Gegenübers ausnutzen, um weitere Aktionen nach seinem Ermessen zu setzen.
Auf den Nutzen für Manager übersetzt heißt das: "Auch in einem Gespräch ist es von Vorteil, dem anderen zuzuhören, ihm zuzustimmen, um erst einmal herauszufinden, was er will. Wenn der Druck zu groß wird, gibt man nach, um sich anschließend vielleicht bei wichtigeren Themen durchzusetzen", erklärt König. Arbeitet man sofort gegen Druck an, gibt es demnach keine Gesprächsbasis mehr, sondern nur noch ein Kräftemessen. Eine der Kernfähigkeiten des fortgeschrittenen Anwenders ist, dass er lernt, den Druck des Gegners zu fühlen. "Zieht der Gegner, drücke ich, drückt der Gegner, ziehe ich. Auch im verbalen Umgang mit Menschen kann dieses Prinzip von Vorteil sein."
Mehr Sensibilität durch Partnertraining
Weitere Fertigkeiten, die dem Wing Tsun erwachsen, sind Sensibilität und das Verständnis für Feedbackprozesse, die ebenso auf die Kommunikation umgelegt werden können: Durch das Partnertraining muss man zwangsläufig beide Rollen - die eigene und die des Trainingspartners - wahrnehmen. Dadurch entsteht eine gewisse Sensibilität, um sich auch gedanklich und körperlich in den Partner hineinversetzen zu können. Das wirkt sich laut König auf den Alltag aus: Ist man in der Lage, sich seinem Gegenüber anzupassen, bekommt man Aufmerksamkeit und somit die Möglichkeit, den Kommunikationsablauf zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Darüber hinaus hat Wing Tsun auch Nebeneffekte auf die "Work-Life-Balance". Man macht im beruflichen Alltag zu wenig Bewegung, die meisten Tätigkeiten sind einseitig. Das kann laut König zu Muskelverkürzungen und in weiterer Folge zu Gelenksabnutzungen führen, was wiederum die Lebensqualität einschränkt. Durch regelmäßiges Wing Tsun-Training werde dieser Gesundheitsaspekt stark gefördert - "nicht nur weil man Bewegung macht, sondern weil die Bewegungen sehr komplex sind und verschiedene Gehirnregionen ansprechen, wo sie positiv wirken", so König.
www.wingtsun.at
+++ Wissen: Wing Tsun
Wing Tsun ist ein chinesischer Kampfkunststil, bei dem die Kraft des Gegners genutzt wird, um sie gegen ihn selbst zu lenken. Dabei werden keine fixen Bewegungsabläufe eingelernt, sondern taktile Reize geschult, um bei Angriffen entsprechende Reaktionen "automatisch" herbeizuführen.