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Kampfstimmung in Zeiten der Sparpläne

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Griechenland von Außenwelt isoliert. | Streik in wichtigen Branchen erfolglos. | Spanien: Proteste um Pensionsalter. | Athen/Madrid/Wien. Griechenland war am Mittwoch nicht erreichbar. Kein Flugzeug kam an, keines flog weg. Im Land der 3000 Inseln verkehrten auch keine Fähren. Griechenland war im Generalstreik. | Solidarität seitens des Dachverbands | Bofinger: Spitzensteuersatz erhöhen


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Die beiden wichtigsten Gewerkschaftsverbände des Landes, der eine für die Bediensteten in der Privatwirtschaft, der andere für die im öffentlichen Dienst zuständig, hatten dazu aufgerufen, um gegen die Sparpläne der Regierung zu protestieren. Mit den Reformen will die Regierung von Giorgios Papandreou das Budgetdefizit von 12,7 Prozent um mindestens vier Prozentpunkte senken.

Protest gegen Pläne von Sozialisten

Papandreou ist Sozialist, ebenso wie sein Amtskollege auf der anderen Seite des Mittelmeeres, der Spanier José Luis Rodriguez Zapatero. Auch in dessen Heimat gingen am Dienstagabend zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen Pläne der Regierung auf der Straße zu protestieren, die das Land sanieren sollen. In beiden Ländern steht die Anhebung des Pensionsalters auf der Agenda, in Spanien soll es gar auf 67 Jahre angehoben werden.

Protest in Barcelona gegen eine Pensionsreform, die die Regierung als Folge der Wirtschaftskrise plant. Foto: ap

In Athen stand die Großdemonstration unter dem Motto: "Den Preis der Krise sollen die Verantwortlichen zahlen", in Madrid, Barcelona und Valencia lauteten die Parolen ähnlich. In Spanien appellieren die Medien allerdings fast einhellig an die Regierung, nicht nachzugeben. Und in Griechenland unterstützt laut jüngster Umfrage die Mehrheit der Bevölkerung das Sparprogramm und fordert von den Gewerkschaften Zurückhaltung bei Protesten. 75,8 Prozent sind laut dieser Umfrage der Zeitung "Ethnos" dafür, dass erst wieder gestreikt wird, wenn die Krise vorbei ist. Die geplanten Steuererhöhungen halten allerdings trotzdem 64 Prozent für unfair.

Die Vorgänge am Streiktag scheinen die Skepsis gegenüber den Gewerkschaften zu bestätigen: Zwar wurde auch in den Medien gestreikt, der Bahnbetrieb stand still und in Spitälern gab es nur einen Notdienst. Aber in den beiden wichtigsten Wirtschaftsbereichen des Landes, dem Tourismus und der Handelsschifffahrt, wurde der Streikaufruf nicht befolgt.

Gewerkschaften "mit dem Rücken zur Wand"

Für den österreichischen Politikwissenschaftler Emmerich Talos ist dies auch ein Zeichen dafür, dass sich in diesen Branchen fehlender gewerkschaftlicher Schutz bemerkbar macht. Und in solchem betrieblichen Schutz von Beschäftigten sieht Talos auch den künftigen Schwerpunkt der Gewerkschaften. Im Kampf gegen Sparmaßnahmen, wie sie in vielen Ländern Europas durchgeführt werden oder geplant sind, stünden sie aber "mit dem Rücken zur Wand".

Die Gewerkschaften könnten die sogenannten Reformpakete nur eindämmen, aber nicht stoppen, meint Talos und nennt als österreichisches Beispiel die Pensionsreform 2003. Die hierzulande herrschenden sozialpartnerschaftlichen Strukturen gibt es aber in anderen Ländern nicht. Nur in Ausnahmefällen hatten die Gewerkschaften große Erfolge zu verzeichnen, etwa Mitte der 90er Jahre, als die Regierung Silvio Berlusconis über die geplante Pensionsreform stolperte.

Im Zeichen der Internationalisierung verliere aber der nationalstaatliche Rahmen, auf den Gewerkschaften beschränkt sind, an Bedeutung. So sei es auch nicht gelungen, gesamteuropäische Betriebsräte für multinationale Unternehmen durchzusetzen. Das Fazit des Politologen: Die Gewerkschaften "wollen mehr, als sie bewirken können."