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Kampfzone Universität

Von Alexia Weiss

Politik
Der Arzt Theodor Billroth - hier im Kreise seiner Studenten - war überzeugter Antisemit.
© Stadtchronik Wien

Im Herbst dokumentiert eine Schau die Beziehung zwischen Juden und den Wiener Universitäten.


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Wien. Nach dem Mediziner Theodor Billroth (1829-1894) sind in Wien eine Straße und ein Gymnasium benannt. Die "Gesellschaft der Ärzte in Wien" hat ihren Sitz am Alsergrund im Billrothhaus und verleiht die Billroth-Medaille. Der Begründer der modernen Bauchchirurgie ruht bis heute in einem Ehrengrab am Zentralfriedhof. Es gibt aber noch eine andere, befremdliche Seite in seiner Vita, die Dienstagabend bei einer Diskussion im Jüdischen Museum zur Sprache kam: sein Deutschnationalismus und sein biologisch-rassistisch fundierter Antisemitismus.

Durch eine längere Anmerkung in einem Buch über die Universitätspolitik, das 1875 erschien, setzte Billroth hierzu an der Uni Wien nicht nur eine Diskussion, sondern regelrechte Kämpfe in Gang, sagt der Zeithistoriker Oliver Rathkolb. Billroth thematisierte darin den Andrang zum Medizin-Studium in Wien und prangerte dabei die meistens jüdischen Studierenden aus Galizien und Ungarn an, welchen sowohl die finanziellen als auch kulturellen Voraussetzungen für das Studium fehlen würden.

Die Universität Wien, die heuer ihr 650-Jahr-Jubiläum begeht, verbindet von Beginn an eine zwiespältige Geschichte mit dem Schicksal der Wiener Juden, wie Museumsdirektorin Danielle Spera erläuterte: "Die jüdische Gemeinde wurde 1421 zerstört und mit ihr auch die Synagoge. Deren Steine wurden später zum Bau der Universität Wien verwendet." Von Oktober 2015 bis März 2016 wird sich das Museum in der Ausstellung "Die Universität. Eine Kampfzone" mit der Beziehungsgeschichte zwischen Jüdinnen und Juden und den Wiener Universitäten auseinandersetzen.

Thematisiert werden dabei etwa die Zusammenstöße zwischen nichtjüdischen Studierenden und Juden zur Zeit des Gettos im Unteren Werd, die jüdischen Studenten des Vormärz und der Revolution von 1848, sowie der Antisemitismus, der schon lange vor 1938 zu einem Brain Drain führte, so Spera. Die Ausstellung wird zudem die antisemitischen Netzwerke der Nachkriegszeit und den Studienalltag jüdischer Studierender bis heute beleuchten.

"Keine angenehme Ausstellung"

Kuratieren wird die Schau der Chefkurator des Jüdischen Museums, Werner Hanak-Lettner. "Das wird keine angenehme Ausstellung", kündigte er bereits jetzt an - die Brutalität, auf die er hier bei seinen Recherchen gestoßen sei, sei "erschreckend" und auch, wie wenig die Einführung der Demokratie geholfen habe, diese zu brechen.

Mit einer Diskussionsserie stimmt sich das Museum bereits jetzt auf die im Herbst startende Schau ein. Dienstagabend stand die Zeit zwischen 1875 - da erschien Billroths Abhandlung - und 1945 im Mittelpunkt. Und folgte man dem, was die anwesenden Historiker - neben Rathkolb sprachen Mitchell Ash, Gabrielle Hauch, Herbert Posch, sie alle forschen und lehren heute an der Uni Wien - berichteten, ist der Ausstellungstitel "Kampfzone" durchaus angebracht.

Denn in der ältesten Hochschule des Landes wurde tatsächlich nicht nur debattiert, jüdische Studierende waren auch - und das eben schon lange vor den 1930er Jahren - vielfach physischen Angriffen ausgesetzt. Daran änderten auch hilflose Versuche des Rektorats, wie etwa eine "Bummelordnung" für den Arkadenhof, in dem den verschiedenen Gruppierungen Plätze zugewiesen worden waren, nichts, sagte Rathkolb. Den Zorn der schlagenden deutsch-nationalen Verbindungen zogen übrigens nicht nur die jüdischen Studenten auf sich: Auch nichtjüdische, slawische Verbindungen wurden beispielsweise angefeindet.

Stichwort Brain Drain - da gab es eben die physische Gewalt auf der einen, aber auch antisemitisch motivierte Ablehnung jüdischer Studierender durch Professoren auf der anderen Seite. So wurden Professuren verhindert, aber auch Studierende am Studienabschluss gehindert, in dem sie zum Beispiel in einem Fach nicht und nicht positiv beurteilt wurden. Eine besondere Rolle kam den 1897 erstmals zum Studium zugelassen Frauen zu: Sie waren überproportional oft auch jüdisch - und damit doppelter Diskriminierung ausgesetzt, wie Hauch erörterte.

Juden an Unis überrepräsentiert

Sieht man sich hier Statistiken an, ergeben sich interessante Einblicke. So wies Hanak-Lettner darauf hin, dass Jüdinnen und Juden insgesamt an den Unis, verglichen mit ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung, deutlich überrepräsentiert waren (wobei laut Posch etwa 1933 überhaupt nur 3,3 Promille der österreichischen Bevölkerung überhaupt studierten - es habe sich daher um eine absolute Elite gehandelt).

1909/10 studierten an der Uni Wien 9090 Männer und Frauen, 25,09 Prozent von ihnen waren jüdisch. In Wien lebten damals knapp über zwei Millionen Menschen, davon waren 175.000 Juden, was einen Anteil von 8,6 Prozent ergibt. Besonders hoch war der Anteil jüdischer Studierender an der medizinischen Fakultät: 1913/14 betrug er 51 Prozent, ein Studienjahr später sogar 56 Prozent (damit war allerdings der Höhepunkt erreicht) - 1925/26 lag er schließlich bei 34 Prozent. Von den 32 Frauen, die 1897 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zu studieren begannen, waren ein Viertel Jüdinnen, sagte Hauch. Die medizinische Fakultät öffnete sich erst 1900 für Frauen - und hatte von Beginn an eine Mehrheit an jüdischen Studentinnen, ebenso verhielt es sich an der juridischen Fakultät, die ab 1919 Frauen zuließ.

Vorschau auf die Ausstellung