Position des Regierungschefs bleibt schwach. | Herausforderung ist nun Sozial- und Wirtschaftspolitik. | Tokio. Naoto Kan bleibt Japans Regierungschef. Überraschend deutlich schlug der 63-Jährige bei einer Abstimmung aller Mitglieder und Abgeordneten der regierenden Demokratischen Partei (DPJ) seinen Herausforderer Ichiro Ozawa aus dem Feld. Mit 60 Prozent der Stimmen wurde Kan für zwei weitere Jahre als Parteichef bestätigt. Zugleich behält er sein Amt als Premierminister.
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Doch seine Siegesfreude dürfte nur kurz währen. Kan muss die heterogene Partei zusammenhalten, weil nur die Hälfte der DPJ-Parlamentarier hinter ihm steht. Zugleich braucht er neue Partner aus den Reihen der Opposition, denn bei der Oberhauswahl im Juli hat seine Koalition ihre Mehrheit verloren. Die Wirtschaft ächzt unter Deflation und Yen-Aufwertung. Ein Streit mit China wegen eines Seezwischenfalls droht aus dem Ruder zu laufen.
Fünf Sechstel der Parteimitglieder und drei Fünftel der lokalen Abgeordneten stimmten für Kan. Ihr Votum spiegelt die öffentliche Meinung in Japan wider. Die Japaner bevorzugen Kan mit großer Mehrheit. Der 68-jährige Ozawa steht hingegen wegen seiner Strippenzieherei und Spendenaffären seit Jahren im Zwielicht.
Ministerpräsident plant Kabinettsumbildung
Von den Abgeordneten im nationalen Parlament stimmten jedoch 200 für Ozawa und 206 für Kan. Viele verdanken ihren Parlamentssitz der Wahlkampftaktik des Schattenherrschers. Noch in dieser Woche will Kan daher die Ozawa-Unterstützer durch eine Kabinettsumbildung mehr an der Macht beteiligen. Bislang hatte Kan von Ozawa und seinen Leuten großen Abstand gehalten.
Die eigentliche Herausforderung für den Premier liegt jedoch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bei dem historischen Machtwechsel vor einem Jahr hatte die DPJ versprochen, die Steuern zu senken, die Sozialausgaben zu erhöhen und die Beamtenmacht zu beschneiden. Doch aufgrund der Rekordverschuldung Japans will Kan jetzt einen Sparkurs einschlagen und trotzdem neue Arbeitsplätze schaffen. Die Unternehmenssteuern sollen sinken und die Mehrwertsteuer steigen. "Kan hat nur wenige Optionen in der Wirtschaftspolitik", meinte der Politologe Yasunori Sone.
Einige Beobachter trauen Kan aber nicht genug Geschick und Kraft zu, um seine Politik mit Hilfe wechselnder Mehrheiten im Parlament zu realisieren. Bislang zeigte die Opposition sich nicht bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten. Trotz seines Sieges über Ozawa könnte Kan daher ein weiterer Übergangspremier sein, bis eine jüngere Generation von DPJ-Politikern an die Macht kommt.