Gemeinsame Erklärung zu Ceta soll strittige Punkte präzisieren. Koalition ist weiterhin uneins über das Abkommen.
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Wien. Sie ist eigens angereist, um gute Stimmung für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, kurz Ceta, zu machen. Und die Stimmung ist, zumindest in Österreich, gerade sehr getrübt. Am Mittwoch traf die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, um mit ihm über das schon ausverhandelte Abkommen zu sprechen.
"Bitte bringen Sie Kanada den gebührenden Respekt entgegen und beurteilen es danach, wofür es heute steht", sagte Freeland in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizekanzler Mitterlehner. Kanada sei stolz auf sein staatliches Gesundheitssystem, seine hohen Umweltstandards sowie seine öffentlichen Dienstleistungen und würde auch keinen Vertrag verhandeln, der diese gefährdet. Dennoch verstehe sie die Sorgen der Ceta-Kritiker und wolle darauf "eingehen".
Rechtliche Erläuterung zu Ceta
"Eingehen" heißt in diesem Fall aber nicht nachverhandeln. Ceta ist schon ausverhandelt und die jüngsten Forderungen von Kanzler Christian Kern, einige Punkte noch einmal aufzumachen und nachzuverhandeln, stießen sowohl in Ottawa als auch in Brüssel auf Ablehnung. Was es aber geben soll, ist eine Art Auslegungserklärung mit zusätzlichen Erläuterungen zu den kritischen Punkten im Vertrag. Das haben Freeland und die Handelskommissärin Cecilia Malmström am Sonntag bekanntgegeben. Darin sollen etwa das Regierungsrecht der Nationalstaaten und ein beidseitiges Bekenntnis zu Umwelt- und Arbeitnehmerschutz bekräftigt werden. Die Erklärung soll auch rechtlich bindend sein, erklärte Freeland.
Ob das dem Kanzler und den Genossen, die im Rahmen der SPÖ-Umfrage zu Ceta gegen das Abkommen gestimmt haben, reicht, ist noch unklar. Derweilen hofft man in der ÖVP, den Koalitionspartner doch noch umzustimmen. "Ich bin überzeugt, dass sich viele Probleme bei genauer Durchsicht lösen lassen", sagte Mitterlehner. Er hoffe, den Koalitionspartner bis zur Unterzeichnung am 18. Oktober noch umstimmen zu können. Freeland habe auch "konstruktive Gespräche" mit SPÖ-Klubchef Andreas Schieder und dem SPÖ-Abgeordneten Christoph Matznetter geführt.
Treffen in Bratislava
Die EU-Handelsminister treffen sich am Freitag zu einem informellen Ratstreffen in Bratislava. Auch Freeland wird anwesend sein. Dort soll aber noch keine Entscheidung über das Abkommen gefällt werden. Vielmehr soll verhandelt werden, welche Teile des Abkommens in die Zuständigkeit der EU und welche in die Zuständigkeit der Mitgliedsländer fallen sollen. Auch, welche Teile vor der Ratifizierung der nationalen Parlamente in Kraft treten und welche nicht. Freeland hofft zudem, dort die Ceta-Kritiker Österreich, Belgien, Rumänien und Bulgarien milde zu stimmen.
Gänzlich unklar ist, mit welcher Position Mitterlehner und damit Österreich ins Treffen gehen. Die ÖVP ist pro Ceta, die SPÖ dagegen. Nach außen muss das Land jedoch eine einheitliche Linie vertreten. Man wolle hier mit dem Kanzler, der am Donnerstag von seiner New-York-Reise zurück ist, noch einmal diskutieren. Um ein Treffen mit Kern hat auch Freeland angesucht.
Studie warnt vor Abkommen
Am 18. Oktober werden die EU-Mitgliedstaaten, vertreten durch deren Außenminister, dann über Ceta abstimmen. Dabei reicht eine einfache Mehrheit. Österreich allein kann also das Abkommen nicht mehr stoppen. Am 27. Oktober soll der Vertrag dann beim EU-Kanada-Gipfel unterzeichnet werden.
Danach werden auch Teile von Ceta vorläufig in Kraft gesetzt. Aber erst nachdem das Abkommen die nationalen Parlamente passiert hat, ist es endgültig in Kraft. Diese können das Freihandelsabkommen übrigens nur zur Gänze ablehnen oder annehmen. Was passiert, wenn ein nationales Parlament die Ratifizierung verweigert, weiß niemand. Das wäre ein Präzedenzfall und dafür gibt es in den EU-Verträgen keine Handhabe.
Indes warnt eine Studie der Tufts University (Boston, USA) vor Jobverlust und einem niedrigeren Wirtschaftswachstum, sollte Ceta in Kraft treten. Von bis zu 200.000 Arbeitsplätzen in Europa und 30.000 in Kanada ist die Rede. Die Einschätzung der EU-Kommission ist optimistischer. Sie geht von einem BIP-Wachstum von 0,08 Prozent für die EU und 0,76 Prozent für Kanada aus.