Weil die Inflation die größte Sorge der Menschen in Frankreich darstellt, überbieten einander die beiden Kandidaten für die Präsidentschaftsstichwahl am Sonntag mit Ideen und Versprechen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Noch ist es ein Duell auf Distanz, das sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Herausforderin Marine Le Pen liefern. Erst am Mittwochabend, wenige Tage vor der zweiten Runde der französischen Präsidentschaftswahl am 24. April, werden sie in der einzigen Fernsehdebatte, auf die Macron sich einlässt, unmittelbar aufeinandertreffen. Bis dahin überbieten sich beide mit Vorschlägen und greifen zugleich das Programm des jeweils anderen an. Vor allem beim Thema Kaufkraft, das die Franzosen laut Umfragen mehr umtreibt als jedes andere. 83 Prozent geben an, die Preissteigerungen der vergangenen Monate würden ihr Wahlverhalten beeinflussen.
Im März war die Inflation laut dem französischen Statistikamt Insee im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent gestiegen. Vor allem zogen die Preise für Energie und Lebensmittel an, aber auch die Kosten für Dienstleistungen haben zugelegt. Inzwischen sagen 40 Prozent der Französinnen und Franzosen, dass sie angesichts der Teuerungen ihren Konsum einschränken.
Bereits im Herbst hat die Regierung die Tarife für Gas und Strom gedeckelt. Menschen mit einem niedrigeren Monatseinkommen als 2.000 Euro erhielten einen einmaligen "Energie-Scheck" in Höhe von 100 Euro. Von April bis Ende Juli werden die Spritpreise um 15 Cent pro Liter gesenkt - die Mehrkosten übernimmt der Staat.
Marine Le Pen zufolge reicht das nicht. Sie hat sich selbst zur "Kandidatin der Kaufkraft" ernannt, sieben Mal findet das magische Wort Erwähnung in ihrem Programm. So schlägt sie vor, die Mehrwertsteuer auf Energie von 20 auf 5,5 Prozent zu senken und auf rund 100 essenzielle Produkte, vor allem Nahrungsmittel und Hygieneartikel, gar keine Mehrwertsteuer zu erheben.
"Ganz ehrlich, sie hält die Leute für Dummköpfe, denn mit ein paar Cent weniger für eine Packung Höschenwindeln senkt man nicht wirklich die Preise", erwiderte Macron, der mit rund 54 Prozent der Stimmen derzeit 8 Prozentpunkte vor Le Pen liegt, in einer Fernsehsendung. Anstatt genereller Preissenkungen, für die der Staat aufkomme, wolle er weiter gezielte Hilfen wie "Lebensmittel-Schecks" einsetzen oder Steuererleichterungen erlassen. In den kommenden Wochen müssten ohnehin Preisverhandlungen mit allen Akteuren der Lebensmittelbranche von den Handelsriesen bis zu den Landwirten geführt werden.
Alle wollen geringere Steuern
Steuersenkungen versprechen beide Kandidaten. Le Pen will Unternehmen die Abgaben auf zehnprozentige Erhöhungen des Gehalts von Mitarbeitern erlassen, die bis zu dreimal mehr als den Mindestlohn verdienen. Außerdem möchte sie das Einkommen von Pflege- und Lehrkräften, die in Frankreich verhältnismäßig wenig verdienen, anheben. Ähnliches verspricht Macron, der insgesamt auf Steuersenkungen in Höhe von 15 Milliarden Euro für Haushalte und Unternehmen setzt.
Beide Kandidaten wissen um das enorme Spaltungs- und Spannungspotenzial des Themas Kaufkraft. Auslöser für die Protestbewegung der "Gelbwesten" im Herbst 2018 waren geplante Steuererhöhungen der Regierung auf Benzin und Diesel zur Finanzierung der Ökowende. Bei den monatelangen Demonstrationen forderten die Menschen vor allem mehr soziale Gerechtigkeit und Maßnahmen für geringere Lebenshaltungskosten. Zwar ließen sie sich politisch nicht vereinnahmen, doch zeigen Studien, dass viele von ihnen - sofern sie überhaupt zur Wahl gehen - Le Pen zuneigen - oder auch dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der mit 22 Prozent in der ersten Runde nur knapp auf dem dritten Platz gelandet war. Nun, da Le Pen und Macron um jede Stimme kämpfen müssen, umwerben sie vor allem dessen Wähler.
Thema: Wahlen in Frankreich