Clinton hat den Auftakt des Parteitags der Demokraten überstanden, der im Zeichen ihres vormaligen Rivalen Sanders stand.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Washington D.C./Philadelphia. Die Redner am Montag: Michelle Obama. Elizabeth Warren. Bernie Sanders. Dienstag: Bill Clinton. Mittwoch: Barack Obama und Joe Biden. Wenn es von vornherein so etwas wie eine Lehre aus dem Auftakt sowie aus dem Programm der Democratic National Convention (DNC) gibt, dann die: Um die Liebe seitens der Partei und all jene, die ihr im Jahr 2016 Rückgrat, Glaubwürdigkeit und historisches Gewicht verleihen, muss sich Hillary Clinton keine Sorgen machen. Am ersten des bis Donnerstag andauernden Parteitags der Demokraten in Philadelphia gab und gibt es praktisch keinen Redner und keine Rednerin, der oder die die 68-jährige Ex-Außenministerin nicht als die mit Abstand beste, in höchstem Maße qualifizierteste und deshalb einzig denkbare Alternative zu Donald Trump im Rennen um das Weiße Haus anpries. Alles in allem keine wirklich große Überraschung.
Geheimwaffe Michelle Obama
Aber nachdem der Ton die Musik macht, dann doch irgendwie. Allen voran überraschte Michelle Obama die Delegierten, als sie sich nicht nur rhetorisch zu hundert Prozent für die vormalige Gegnerin ihres Manns ins Zeug legte, sondern quasi im Alleingang das größte Problem, das die Convention am ersten Tag zu überschatten drohte, geschickt in die Schranken verwies: Einen kleinen, aber extrem lautstarken Teil der Anhänger von Bernie Sanders, die sich nach der Wahlempfehlung ihres Kandidaten für Clinton politisch heimatlos fühlen und ihren Frust in die Convention hineintragen woll(t)en. Mit ihren Referenzen an "das von Sklaven errichtete Haus, in dem ich jeden Tag aufwache und auf dessen Rasen meine Töchter spielen", sorgte Obama indes für Begeisterungsstürme auf den Rängen der Wells Fargo Arena in Philadelphia. Soviel ungeteiltes Lob von der richtigen Seite macht fast automatisch verdächtig; und tatsächlich scheint Clintons größtes Problem zu sein, zwar eine Unmenge an Leuten an ihrer Seite zu haben, die an sie glauben, es ihr aber trotzdem weite Teile der Bevölkerung nicht abkaufen, die richtige Politikerin zur richtigen Zeit zu sein. Wie das Mgazin "Politico" jüngst titelte, besteht das derzeitige Hauptproblem der Kandidatin Clinton darin, dass es schlicht "uncool" ist, sie gut zu finden. Klingt seltsam, ist aber so, wovon sich jeder Besucher der Demonstrationen vor und rund um das Wells Fargo Center selber überzeugen konnte und kann. Da und dort waren am Montag gar die von der Republican National Convention in Cleveland sattsam bekannten Sprechchöre zu hören: "Lock her up" ("Sperrt sie ein") und dergleichen. Die Gelegenheit, eine breite Masse persönlich von ihren Qualitäten zu überzeugen, wird sich indes erst am Donnerstag stellen, wenn die Formalitäten, sprich die offizielle Nominierung durch die Parteitags-Delegierten, erledigt ist. Bis dahin gab und gibt es von Clintons wie von der Seite der Organisatoren noch wichtigeres zu tun. Die Dramaturgie des ersten Abends von Philadelphia stand folgerichtig ganz im Zeichen jenes Mannes, den sie im Rahmen der Vorwahlen klar besiegt hatte. Nicht, dass Bernie Sanders nicht auch schwere Tage und Wochen hinter sich hätte. In ganzen 22 Bundesstaaten war er am Ende des Vorwahlkalenders vorne gelegen, immer neue Rekorde in Sachen Spenden sammeln hatte er aufgestellt - und doch reichte es nicht, die von dem Senator aus Vermont ausgerufene "politische Revolution" über die Ziellinie zu bringen. Deren Erbe zu verwalten, so viel steht angesichts der Ereignisse des Auftakts der Convention fest, wird für ihren Erfinder nicht leicht werden.
Die Anhänger, die er rief . . .
Selbst die bekannte Comedian Sarah Silverman, die Sanders bis vor kurzem unterstützt hatte, wurde Ziel der verbalen Attacken von eingefleischten Bernie-Fans, die bis heute nicht akzeptieren wollen, dass nicht er, sondern Clinton im Herbst am Wahlzettel steht. Da wurde schnell klar, dass es wahrscheinlich nur der 74-Jährige selber schaffen würde, den rebellischsten Teil seiner Gefolgschaft in der Arena zur Räson zu bringen. Was ihm insofern gelang, als er schlicht seine allseits bekannte Standardrede mit den üblichen Forderungen hielt - freier Zugang zu staatlichen Unis, Mindestlohn erhöhen, Gratis-Gesundheitsversorgung, Reiche höher besteuern, Klima besser schützen -, eindringlich vor dem unter allen Umständen zu vermeidenden Desaster namens Donald Trump warnte und jedem dritten Satz ein "Hillary Clinton glaubt wie ich, dass . . ." voranstellte. Nachdem Clinton Sanders mittlerweile in vielen Positionen nachgegeben hat, was die offizielle Wahlplattform der Partei angeht, ist das auch nicht gelogen. Laut US-Autogewerkschaft UAW wolle sie das Freihandelsabkommen Nafta mit Mexiko und Kanada neu verhandeln. Wie weit die Liebe derweil wirklich geht, wird sich aber erst am Donnerstag weisen, wenn Hillary Clinton die Nominierung zum ersten weiblichen Präsidentschaftskandidaten der US-Geschichte akzeptieren wird.