Die EU wagt den Balanceakt zwischen China und den USA.
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Nun also "Boujour Pékin". Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist zu einem mehrtägigen Besuch in der chinesischen Hauptstadt eingetroffen, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stößt zu den Gesprächen dazu.
Macrons Mission: Den Europäern geht es darum, China dazu zu bewegen, Druck auf Wladimir Putin auszuüben oder zumindest von Waffenlieferungen Abstand zu nehmen. "Ich weiß, ich kann auf Sie zählen", sagte Macron zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Europas geopolitische Orientierung ist unverbrüchlich transatlantisch. Doch gleichzeitig ist die EU wirtschaftlich mit beiden rivalisierenden globalen Supermächten eng verflochten: Die USA sind der größte Exportmarkt der Union, China führt die Importstatistik an.
Von der Leyen hat bereits vor einigen Tagen ihre Haltung zu China erkennen lassen: Die Epoche der Öffnung und Reform Chinas sei vorüber, sagte sie in einer Grundsatzrede, das Land sei "in eine neue Ära der Sicherheit und der Kontrolle getreten". Das untergrabe "die Logik freier Märkte und offenen Handelns". "Ein systemischer Wandel der internationalen Ordnung, in deren Mittelpunkt China steht", sei das klare Ziel der Chinesischen Kommunistischen Partei.
Europa müsse sich daher unter dem Schlagwort "Risikominimierung" in Schlüsselindustrien von China unabhängiger machen und zugleich mit größerem Nachdruck für besseren Marktzugang für den chinesischen Markt plädieren. Dabei ist fraglich, ob es den EU-Institutionen gelingen wird, die europäischen Regierungen auf eine gemeinsame Linie vis-à-vis China einzuschwören - und das weiß auch Chinas Führung im Regierungsbezirk Zhongnanhai in Peking.
Russlands Angriffskrieg hat die Lage weiter verkompliziert: Europa ist durch diesen Angriff sicherheitspolitisch noch enger an die USA gerückt, die Rolle der Nato wurde gestärkt.
Für Europa ist Russland die unmittelbare Bedrohung, China hingegen ein strategischer Rivale am anderen Ende der Welt. Die USA drängen wiederum die Europäer dazu, sich in der immer hitziger werdenden Großmächterivalität klar hinter die Vereinigten Staaten zu stellen. Denn für die USA ist Russland mehr lästig als bedrohlich, Peking ist aber aus Sicht Washingtons die geopolitische Herausforderung Nummer eins.
Den Europäern muss nun das Kunststück gelingen, China davon zu überzeugen, zum Verbündeten Russland auf Distanz zu gehen, und Macron und von der Leyen werden darauf hinwirken, die zunehmende Verbissenheit in der Großmächterivalität zwischen den USA und China zu vermindern. Die Frage ist nun, ob sie bei all dem auf Xi Jinping zählen können.