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Kannitverstan Ostdeutsch

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Vor kurzem fiel mir ein Buch in die Hände, das vor dem Mauerfall erschien und in welchem die beiden deutschen Staaten in allen Lebensbereichen einander gegenüber gestellt wurden.


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Für mich am spannendsten und oft auch am komischsten ist eine Art Deutsch/Deutsches-Wörterbuch. Dabei handelt es sich nicht um regionale Dialektvarianten, sondern ausschließlich von der Politik beziehungsweise der politischen Situation geprägte Sprachunterschiede, die mit dem Verschwinden der DDR langsam aus der Mode kommen.

Darin spiegelte sich zum Beispiel die Zugehörigkeit der beiden Deutschländer zu den gegnerischen Blöcken. Hieß der Raumfahrer im Westen "Astronaut", so nannte man ihn im Osten "Kosmonaut". Die aus dem Russischen entlehnte "Datsche" hieß im Westen "Bungalow". Westliche "Sportwettbewerbe" entsprachen den östlichen "Spartakiaden", die in Russland bis heute so heißen. Für den "Subbotnik", den angeblich so freiwilligen Samstags-Arbeitseinsatz, gab es mangels realen Gegenstücks kein eigenes Wort im Westen. Fast unaussprechlich ist das DDR-Wort für unsere Tagträumerei: "Oblomowerei", benannt nach einem Romanzyklus des russischen Autors Gontscharow, der einen unproduktiven Müßiggänger beschreibt. Möglicherweise ein Begriff, der die DDR überleben wird, weil die Psychiatrie das Charakterbild übernommen hat.

Wie sehr die DDR am Gängelband der Sowjetunion hing, schlug sich auch im Sprachgebrauch nieder: Die Angehörigen des Warschauer Pakts waren die "Brüder" und ihre Länder "Bruderstaaten". Die in der DDR stationierten Russen waren die "Freunde"; dieses Wort verlor jedoch völlig seine ursprüngliche Bedeutung und drehte sich ins sarkastische Gegenteil. Um einen solchen "Freund" machte man am besten einen großen Bogen.

Andere Begriffsneubildungen gehen auf die areligiöse, ja religionsfeindliche Haltung der DDR-Führung zurück. So wurde unsere Taufe zur "Namensweihe", die Firmung zur "Jugendweihe", Weihnachten wurde durch "Jahresende" ersetzt und konsequenterweise der Weihnachtsengel durch "Jahresendfigur m. F." Letztere Abkürzung steht für "mit Flügel", denn bei o. F. (ohne Flügel) handelt es sich um den verpönten Weihnachtsmann. Für diesen gab es auch die alternative Bezeichnung Großväterchen Frost.

Anglizismen, oder wie es "drüben" hieß, "Angloamerikanismen" suchte man in der DDR tunlichst zu vermeiden. Wer ins "Zeitkino" ging, besuchte ein Non-Stop-Kino - am liebsten in "Totalvision" (für Cinemascope); wer etwas fürs Recycling tun wollte, beteiligte sich an der "Sero-Verwertung", wobei "Sero" die Abkürzung für "Sekundärrohstoffe" ist. Abends machte drüben ein "Schallplattenunterhalter" das Gleiche wie hüben der Disc-Jockey. Plastik (von engl. plastics) wurde durch "Plaste" ersetzt, das Team durch die "Brigade" oder das "Kollektiv", der "Hämbörger" durch die "Grilleta" (obwohl sich da das englische Grillen bereits heimlich eingeschlichen hatte).

Auf den ersten Blick völlig inkonsequent scheint die Ersetzung des Wortes "Kontrolleur" durch den nun eindeutig englischen Begriff "Dispatcher". Das Erstaunen lässt nach, wenn man erfährt, dass das Wort über die russische Sprache in die DDR importiert wurde, wo es bereits als Lehnwort eingemeindet worden war.

Manche Spracheigenarten lassen sich aus der ideologischen Ausrichtung der DDR verstehen. Einen Kriegsdienstverweigerer durfte es in der DDR nicht geben, weil das Militär ohnehin nur der Friedenssicherung diente. Also nannte man solche Abweichler "Bausoldaten". Staatsbetriebe gehörten natürlich dem Volk und waren daher "volkseigen". Doch am Ende wurde das Volk eigen und wollte von der DDR - und ihrer Sprache - nix mehr wissen.

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