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Kantersieg für Pakistans Opposition

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Wahl wurde zur Rache an Partei des Präsidenten. | Fast die gesamte Ministerriege wurde abgewählt. | Präsidentschaft Pervez Musharrafs ist in Gefahr. | Islamabad. Freude und Erleichterung herrscht nach der Wahl in Pakistan. Das Votum wurde zur Rache der Wähler an der Partei von Präsident Musharraf. Doch ob die beiden großen Sieger der Wahlnacht eine stabile Regierung bilden können, steht in den Sternen.


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Pakistan feierte. Als am Montagabend die ersten Wahlergebnisse in Rawalpindi, der Zwillingsstadt von Islamabad, eintrudelten, zogen die Menschen auf die Straßen, um den Wahlsieg der Opposition, vor allem aber die Niederlage der Regierung zu bejubeln. Auch in anderen Großstädten wie Lahore und Karachi herrschte Volksfeststimmung. Viele hatten die Pakistanische Volkspartei (PPP) der im Wahlkampf ermordeten Politikerin Benazir Bhutto als klare Favoritin gesehen, doch bis zum Schluss war nicht sicher, ob eine massive Manipulation der Wahlen oder die Angst der Menschen vor Gewalt am Wahltag nicht doch ein anders Ergebnis bringen würden.

Die Demokratie nimmt Rache

"Die Demokratie nimmt Rache", titelte die pakistanische Zeitung "The News". Und wirklich, die pakistanischen Wähler haben die Regierungspartei PML-Q, die Präsident Pervez Musharraf nahesteht, schwer abgestraft. Die PPP liegt nach den letzten Ergebnissen mit 87 von 272 Sitzen im Parlament vorn, gefolgt von der erstaunlich erfolgreichen PML-N unter Nawaz Sharif mit 65. Die "Königspartei", wie die PML-Q auch genannt wird, ist abgeschlagen mit nur 36 Sitzen. Damit läuft alles auf eine Koalitionsregierung der beiden großen Oppositionsparteien PPP und PML-N hinaus.

Fast das ganze Regierungspersonal ist abgewählt worden: Etwa der frühere Eisenbahnminister, Sheikh Rashid, der seinen Sitz im Parlament verloren hat. Und dass, obwohl sich der Vertraute von Musharraf sicherheitshalber gleich in zwei Wahlkreisen in Rawalpindi gleichzeitig hatte aufstellen lassen. "Downtown Man", wie Rashid genannt auch wird, weil er stets besonders gut über die Dinge im Regierungsbezirk von Downtown Islamabad informiert war, soll schon am Dienstagmorgen nach Spanien abgereist sein, angeblich, um dort Urlaub zu machen. Vielleicht fürchtet der Ex-Minister aber auch den Volkszorn: Am Wahlabend wurden in Rawalpindis Innenstadt Wahlposter mit seinem Bild auf den Straßen verbrannt.

Gerächt haben sich die pakistanischen Wähler auch an anderen Q-Politikern. Der frühere Außenminister, der Ex-Verteidigungsminister, fast das ganze Regierungskabinett ist anderen Kandidaten an den Wahlurnen unterlegen. Auch die Chaudhry-Brüder, die in der Punjab-Provinz regierten, wurden vom Hof gejagt. Die Wähler sind geplagt von tagtäglichen Terroranschlägen und wirtschaftlichen Sorgen. Grundnahrungsmittel sind knapp und teuer, die Inflation liegt bei über acht Prozent, stundenlange Stromausfälle lähmen das Land.

Riesenverlust für den Präsidenten

"Das Wahlergebnis ist ein Riesenverlust für den Präsidenten und seine Königspartei", meint Karl Fischer von der Hanns-Seidel-Stiftung in Islamabad. Musharraf, der formal gar nicht Mitglied der PML-Q ist, stand allerdings nicht zur Wahl. Er hatte sich vom letzten Parlament für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren wählen lassen. Doch er musste erst den Ausnahmezustand ausrufen und die Obersten Richter absetzen, um die rechtliche Hürde für seine erneute Präsidentschaft zu nehmen.

Nun könnte seine Präsidentschaft allerdings gefährdet sein. PML-N-Chef Nawaz Sharif fordert vehement die Einsetzung der alten Richter, die den Ex-General dann ziemlich sicher kippen würden. Die PPP hält sich in dieser Sache allerdings weiter dezent zurück.

Der Umgang mit Musharraf könnte schnell der erste Knackpunkt zwischen den beiden Siegerparteien werden. "Ich glaube nicht, dass die Koalition lange halten wird", sagt Henning Effner von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es werde nicht einfach sein, sich auf eine gemeinsame Linie gegenüber Musharraf zu einigen. Doch egal, was kommt, Pakistan, das mehr als die Hälfte seiner Geschichte unter Militärherrschaft stand, feiert in dieser Woche den Sieg der Demokratie.