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Kanzler Schüssel pocht auf EU-Steuer

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

EU-Parlament lehnt den Finanzrahmen ab. | Bleibt Einigung aus, gilt provisorisches Budget. | Straßburg. Auf ein Budget muss die Europäische Union noch warten. Das EU-Parlament lehnte gestern, Mittwoch, den langfristigen Finanzrahmen 2007 bis 2013 ab, auf den sich die Staats- und Regierungschefs im Dezember des Vorjahres geeinigt hatten.


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Sozialdemokraten, Konservative, Liberale und Grüne fordern weitere Finanzverhandlungen. Denn die Abgeordneten wollen mehr Geld für die Union. Für diese Resolution stimmten 541 Abgeordnete - darunter die österreichischen, mit Ausnahme Hans-Peter Martins und Andreas Mölzers - , 56 lehnten sie ab und 76 enthielten sich der Stimme.

"Ich weiß, dass viele nicht zufrieden sind damit, was der Europäische Rat unter viel Mühe beschlossen hat", erklärte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel noch vor der Abstimmung, als er den Abgeordneten in Straßburg das Programm des EU-Ratsvorsitzes präsentierte. "Aber wir stoßen an Grenzen: Wenn wir immer mehr Geld aus nationalen Budgets hergeben müssen, haben wir das letzte Mal eine Einigung zustande gebracht." Nettozahler und -empfänger würden sich nämlich an die Gurgel springen, führte Schüssel später aus.

Für die Entschärfung des künftigen Konflikts hat der Ratspräsident aber eine Lösung parat. Einmal mehr plädierte er für eine stärkere Eigenfinanzierung der EU, die derzeit lediglich zehn Prozent betrage. Es sei "geradezu absurd", dass kurzfristige Finanzspekulationen sowie die Schiff- und Luftfahrt nicht besteuert würden. Die Kommission solle diese Vorschläge bei der für 2008/2009 geplanten Umstrukturierung des Finanzrahmens berücksichtigen, forderte der Bundeskanzler.

Doch zunächst warten auf Österreich Verhandlungen mit dem EU-Parlament. "Sie haben in allen Bereichen, die Sie als Prioritäten bezeichnen, gekürzt", warf SPE-Fraktionsvorsitzender Martin Schulz Schüssel wie den anderen Regierungschefs vor. Laut Ratsbeschluss würden für Wachstum und Beschäftigung 35 Milliarden Euro weniger als ursprünglich vorgesehen zur Verfügung gestellt, die Ausgaben für innere Sicherheit würden um 7,8 Milliarden reduziert. Laut diesem Beschluss müsste die internationale Politik 12,8 Milliarden weniger kosten, so Schulz.

Auch der Vorsitzende der europäischen Liberalen, Graham Watson, bezeichnete die Einigung über den EU-Haushalt als Hauptaufgabe des österreichischen Ratsvorsitzes. Die Union würde zu viel für Struktur- und Agrarfonds ausgeben, zu wenig für Bildung und Forschung, meinte er. Gleichzeitig kritisierte Watson die starre Haltung Österreichs bei den Übergangsfristen für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten. "Die Tore Wiens sind nicht mehr einer Belagerung ausgesetzt", sagte der Abgeordnete. Es sei ironisch, sich für mehr Beschäftigung einzusetzen, aber die Übergangsfristen zu verlängern.

Ob die Forderung der Abgeordneten nach mehr Geld erfüllt wird, bleibt derzeit offen. Groß ist der Verhandlungsspielraum nicht, deutete Schüssel an. "Manövriert" könne aber im Bereich von einer Milliarde Euro werden.

Die finanziellen Vorstellungen liegen jedoch weiter auseinander: Während die Staats- und Regierungschefs einen Ausgabenrahmen in Höhe von rund 862 Milliarden Euro vorschlugen, wollten die Abgeordneten knapp 975 Milliarden Euro.

Kommende Woche beginnen die Gespräche zwischen Ratsvorsitz, Kommission und Parlament. Geht es nach Plan, sollen sie noch unter österreichischer Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden. Ziehen sich die Verhandlungen allerdings über den Sommer hinaus, wird eine langfristige Finanzplanung schwierig. Die Auszahlung der EU-Förderprogramme würde sich verzögern.

Können sich Ratsvorsitz und Parlament gar nicht einigen, steht die Europäische Union trotzdem nicht ohne Budget da. Ohne Finanzrahmen für sieben Jahre wird der Haushalt jährlich auf der Basis des Vorjahres fortgeschrieben. Damit hätten die EU-Abgeordneten zwar erreicht, dass mehr Geld zur Verfügung stehen würde - das Budget wäre dann nämlich höher als von den Staats- und Regierungschefs geplant. Aber davon, dass der Konsens zwischen den EU-Institutionen aufgekündigt werden könnte, will derzeit niemand reden.

"Die Tore Wiens sind nicht mehr einer Belagerung ausgesetzt."

Graham Watson, Liberale

"Wenn wir so weiter machen ( . . .), dann werden wir diesmal das letzte Mal eine Finanzvorschau zusammengebracht haben."

Wolfgang Schüssel