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Kanzler verteidigt Pensionsverluste

Von Walter Hämmerle

Politik

Die aufgeregte innenpolitische Debatte über Pensionsverluste aufgrund höherer Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten nahm auch gestern ihren in Wahlkampfzeiten vorgezeichneten Gang. Während die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne weiter gegen die Maßnahme Sturm liefen und Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider sogar mit einer Blockade der geplanten Gesundheitsreform drohte, verteidigte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die höheren Beiträge als gerechtfertigt und notwendig zur Sicherung des Gesundheitssystems.


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Die Maßnahme sei kalkuliert und mit Absicht beschlossen worden, weil die Pensionisten fast die Hälfte der Gesundheitskosten brauchten, erklärte Schüssel im ORF-Radio. An die Adresse des Koalitionspartners gerichtet erinnerte der Kanzler die FPÖ daran, dass diese die Maßnahme im Rahmen der Budget-Begleitgesetze mitbeschlossen haben.

Die ÖVP Bundespartei argumentiert, dass alte Menschen dem Gesundheitssystem besonders hohe Kosten verursachen. Versicherte bis zum 19. Lebensjahr lukrierten aus der Krankenversicherung Leistungen in Höhe von 527 Euro, während beispielsweise für die über 80-Jährigen 4.449 Euro pro Kopf und Jahr aufgewendet werden müssten. Von 100 Euro seien nur 38 durch Beiträge gedeckt. Daher sei es notwendig gewesen, die Beiträge sozial verträglich und moderat anzuheben, rechtfertigte VP-Generalsekretär Reinhold Lopatka die Maßnahme.

Haider: Junktim Pensionen und Gesundheitsreform

Ganz so eindeutig stellt sich aus Sicht der Freiheitlichen die Angelegenheit nicht dar. Angetrieben vom wahlkampfbewegten Kärntner Landeshauptmann will Generalsekretärin Magda Bleckmann die Beitragserhöhungen zwar nicht zur Gänze zurücknehmen, aber doch zumindest den Beziehern kleiner Pensionen mit einer Solidaritätsaktion zur Seite stehen. Haider selbst ging sogar noch einen Schritt weiter und drohte sogleich, die für heuer geplante Gesundheitsreform zu blockieren, sollten etwa die Sozialversicherungen nicht reformiert werden. Die frei werdenden Gelder will Haider für die Pensionen zur Verfügung stellen.

Rot-Grün in Rage: Zynisch abgehoben, arrogant

Die Opposition reagierte auf die Aussagen des Bundeskanzlers mit heller Empörung. So sprach etwa SP-Pensionistenchef Karl Blecha von einer "menschenverachtenden Hetze", für Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos waren Schüssels Aussagen "zynisch und abgehoben".

Die Grünen überrascht die aktuelle Debatte dagegen weniger. Seine Partei habe stets vor den Folgen gewarnt, erklärte Parteichef Alexander Van der Bellen. Er warf der schwarz-blauen Regierung vor, "arrogant" zu agieren. Sein Lösungsvorschlag: eine Soforthilfe Aktion.

Erregte Gemüter auch in Salzburg und Kärnten

Besonders heftig tobt der Streit um die Pensionsverluste in den beiden wahlkämpfenden Bundesländern Salzburg und Kärnten, deren Landeshauptleute Franz Schausberger und Haider bereits gestern Kompensationsmaßnahmen seitens des Landes angekündigt hatten. Die Kärntner VP-Spitzenkandidatin Elisabeth Scheucher sah sich sogar veranlasst, die Regierung vor der Einnahme eines "Justament-Standpunktes" zu warnen. Die Salzburger Grünen sprachen von einem "versuchten Stimmenfang auf unterstem Wahlkampf-Niveau".

Gelegenheit, ihre Argumente einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, haben die Parteien schon in Bälde. Die von der SPÖ beantragte Sondersitzung des Nationalrats wurde für kommenden Dienstag terminisiert. Die Sozialdemokraten wollen in einem Dringlichen Antrag eine Wertanpassung der Pensionen um 0,8 Prozent verlangen, weil rund eine Million ASVG-Pensionisten trotz der Pensionsanpassung netto weniger bekommen als vor einem Jahr.