Die Klimaerhitzung ist das Resultat eines Wirtschaftssystems, das auf Ungerechtigkeit und Ungleichheit beruht.
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Schon vor einiger Zeit hat die britische NGO Oxfam die "50-10-Regel" ermittelt: Das reichste Zehntel der Weltbevölkerung verursacht 50 Prozent der Treibhausgasemissionen, während die ärmere Hälfte der Menschheit gerade einmal ein Zehntel dazu beiträgt. In Österreich wiederum besitzt das reichste Prozent der Haushalte 40 Prozent des gesamten Vermögens und verursacht rund 17 Prozent des heimisches CO2-Ausstoßes. Die Klimaerhitzung ist also das Resultat eines Wirtschaftssystems, das auf Ungerechtigkeit und Ungleichheit beruht. Im ungezügelten Kapitalismus werden Umwelt und Menschen nämlich gleichermaßen ausgebeutet.
Dabei hatte die Entwicklung in den 1980er Jahren noch recht erfolgversprechend ausgesehen: Die Erkenntnisse des "Club of Rome" (Grenzen des Wachstums) wie auch der vom US-Präsidenten Jimmy Carter in Auftrag gegebene Umweltbericht "Global 2000 - Report to the President" führten zu einem neuen Umweltbewusstsein. Der Widerstand gegen Megaprojekte wuchs; vom heimischen Hainburg bis zu nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen. Die mächtige deutsche Gewerkschaft IG Metall hinterfragte ernsthaft die Rolle des Autos und kämpfte für eine radikale Arbeitszeitverkürzung.
Doch mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Osteuropa rund um das Jahr 1989 fiel die Systemkonkurrenz weg, der neoliberale Kapitalismus feierte seinen globalen Siegeszug. Nun gab es schlagartig neue Absatzmärkte für Autos und Güter aller Art. Die zuvor dort im öffentlichen Besitz befindlichen Wirtschaftsunternehmen rissen sich entweder Oligarchen unter den Nagel (System Ex-Sowjetunion) oder sie wurden zerschlagen (System DDR). Jedenfalls gab es plötzlich Millionen gut ausgebildeter und billiger Arbeitskräfte, was auch das Gehaltsniveau in Westeuropa unter Druck brachten.
Folgerichtig sank hierzulande die Lohnquote; die Schere zwischen Arm und Reich öffnete sich weiter. Gleichzeitig startete mit der Kyoto-Verpflichtung das erste internationale Klimaabkommen. Damals hätte man noch einfach umsteuern können, wo heutzutage eine Vollbremsung notwendig wäre. Das Auslagern von energieintensiven Industrien in Billiglohnländer führte in zahlreichen Industriestaaten tatsächlich zu einer leichten Reduktion der Treibhausgasemissionen. Österreichs Klimabilanz zeigt allerdings trotz dieser Globalisierung über drei Jahrzehnte hinweg keine sinkende Tendenz.
"Nachhaltiger" Kapitalismus
Als ich in den 1990 Jahren bei Greenpeace arbeitete, waren wir der irrigen Ansicht, dass es ja dem Kapital egal sein könnte, wo und wie es seine Gewinne macht. Wir konzentrierten uns also auf die Politik, damit diese die richtigen Rahmenbedingungen für einen "nachhaltigen" Kapitalismus schaffe: Ökosteuern und Ausbau der erneuerbaren Energiequellen waren schon damals die dominierenden Themen. Ich persönlich bedauere es sehr, dass wir damals nicht radikal genug waren. Unser grundlegender Fehler war, an die Reformfähigkeit des Kapitalismus zu glauben.
Dabei hatte schon Karl Marx richtigerweise erkannt, dass es nicht um ausreichende Gewinne, sondern um Profitmaximierung geht. Dahinter steckt ein systemimmanenter Wachstumszwang, der bisher mit steigendem Material- und Energieverbrauch verbunden ist. So werden nicht Produkte und Dienstleistungen angeboten, die gesellschaftlich nützlich sind, sondern solche, die maximale Gewinne versprechen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Kfz-Industrie: Schon seit Jahrzehnten könnten spritsparende Autos und Fahrzeuge mit Elektroantrieb angeboten werden. Stattdessen forcierte man den Verkauf von SUVs, da dort die Gewinnmargen höher sind.
Die deutsche Kfz-Industrie schickte Kanzlerin Angela Merkel vor, um EU-weit strenge Verbrauchsgrenzwerte jahrelang zu torpedieren. Wo dies nicht ausreichte, griff man auf den Tatbestand des Betrugs zurück (Stichwort Dieselskandal). Frei nach Pippi Langstrumpf schuf sich die fossile Industrie jahrelang "die Welt, die ihr gefällt". Kein Wunder: Noch 2018 stammten neun der zehn weltgrößten Konzerne aus dem Bereichen Erdöl, Energie und Fahrzeugbau. Deren Geschäftsmodell bestand und besteht darin, möglichst viel fossile Energie zu verbrennen. Diese Multis hatten genug Marktmacht und politische Einflussmöglichkeiten, um anfangs den Klimawandel zu leugnen und danach die längst fällige Energie- und Mobilitätswende erfolgreich zu verhindern. Das tun sie bis heute, und ihre Lobbyisten waren auch in Sharm El-Sheikh hochaktiv.
Kaum Fortschritte
Die Konsequenzen werden uns gerade drastisch vor Augen geführt: Einerseits ist der Klimawandel für alle fühlbar geworden; die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu können, scheint inzwischen schon ziemlich unrealistisch. Zum anderen spüren wir gerade in der eigenen Brieftasche, welche Folgen die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern für uns hat. Beide Entwicklungen führen aber noch immer nicht zu einer radikalen Trendwende. So gab es auf globaler Ebene bei der Klimakonferenz kaum Fortschritte, in Österreich lässt die ÖVP nicht einmal die Neuauflage eines Klimaschutzgesetzes zu.
Wie sagte doch Gaston Brown, Premierminister der vom Meeresspielanstieg und Hurrikans bedrohten Karibikinsel Antigua, neulich in Sharm-El-Sheikh: "Die Öl- und Gasunternehmen machen täglich fast 3 Milliarden Dollar Gewinn. Es ist höchste Zeit, dass sie für die von ihnen angerichteten Schäden zahlen müssen. Denn: Während sie Profite einstreichen, brennt der Planet".