Industrie: "Beschränkung auf zehn Stunden in globaler Welt nicht tragbar."
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Wien. Weg mit der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden, Verlagerung der Arbeitszeitgestaltung (Durchrechnungszeiträume) auf die betriebliche Ebene. Die Industriellenvereinigung nimmt den Streit der SPÖ und der ÖVP um die Arbeitszeitflexibilisierung zum Anlass, um Druck zu machen für ein anderes Arbeitszeitgesetz. "Es geht nicht darum, in Summe länger zu arbeiten, sondern dann zu arbeiten, wenn es sinnvoll ist", sagt IV-Präsident Georg Kapsch zur "Wiener Zeitung".
Zehn Stunden ist die festgesetzte tägliche Höchstarbeitszeit in Österreich. Das Arbeitszeitgesetz sieht in Ausnahmefällen bis zu 12 Stunden vor. Allerdings fällt ab der neunten Stunde ein Überstundenzuschlag von 50 Prozent an. Es sind auch Durchrechnungen von bis zu einem Jahr möglich. Durchrechnungszeiträume müssen aber im Kollektivvertrag vorgesehen sein, erst dann kann eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden.
Die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden verursache in der Praxis massive Probleme, erläutert Helwig Aubauer, Leiter des Bereichs Arbeit und Soziales der IV. "Ein Mitarbeiter fährt von Wien nach Salzburg, hat dort ein mehrstündiges Treffen und fährt am Abend wieder nach Wien zurück. Da muss er auf der Strecke einen Zwischenstopp einlegen und übernachten, weil sich das mit zehn Stunden nicht ausgeht." Das sei in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr tragbar, sagt Aubauer. "In einer globalisierten Welt und der immer noch konjunkturell schwierigen Wirtschaftslage brauchen Unternehmen die grundsätzliche Möglichkeit, beweglich und unbürokratisch auf schwankende Auftragseingänge reagieren zu können."
"Die Festlegung von Tageshöchstarbeitszeiten ist eine der elementarsten Schutzfunktionen des Arbeitszeitgesetzes. Zu einer Aufhebung kommt von uns ein glattes Nein. Wir lassen uns die Schutzfunktion des Arbeitszeitgesetzes nicht aushebeln", konterte der Chef des Gewerkschaftsbundes, Erich Foglar. Dessen nicht genug, "will man die Gewerkschaften jetzt auch noch rausdrängen, damit man auf betrieblicher Ebene schalten und walten kann". Man solle sich an den Rahmen: Gesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung halten. In Wahrheit werde aber ohnehin jede Arbeitszeit auf betrieblicher Ebene vereinbart. Und es sei auch schon möglich, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten.
Aber die Debatte gehe am Kern vorbei, sagt der ÖGB-Präsident, denn tatsächlich gehe es der Industrie darum, die Überstundenzahlungen wegzubringen. "Zum Nulltarif gibt es aber sicher keine Flexibilisierung." Das Sozialministerium hat jüngst berechnet, dass die Arbeitnehmer ohne Vergütung der Überstunden um eine Milliarde Euro umfallen würden.
"Es geht uns nicht darum, dass wir Überstundenzuschläge einsparen wollen, es geht uns rein um die Zeit", sagt Gerald Grohmann, Vorstandsvorsitzender von Schöller Bleckmann. Das Unternehmen ist in der Ölindustrie tätig. "Jeder Tag, den eine Ölplattform später arbeiten kann, kostet Millionen. In unserem Geschäft zählt die Zeit", sagt Grohmann. Daher sei die Abschaffung der Tageshöchstarbeitszeit essenziell. Im Nein des ÖGB sieht er eine "Bevormundung des Bürgers. Sein Unternehmen stehe im internationalen Wettbewerb - in den USA werde zwölf Stunden und mehr gearbeitet.
Auch die Verlagerung des Durchrechnungszeitraums auf betriebliche Ebene hält Grohmann für unbedingt notwendig. "Die Ölindustrie ist zyklisch. Einem Auftragsboom folgt manches Mal eine Flaute von bis zu einem Jahr." Bei Schöller Bleckmann gebe es daher sehr lange Durchrechnungszeiten, wo die Mitarbeiter in guten Zeiten Stunden ansparen, wenn es einen Durchhänger bei den Aufträgen gebe, werde das Zeitguthaben abgebaut. "Damit verhindern wir Kündigungen. Daran ist uns sehr gelegen, wir bilden die Mitarbeiter ja aus."
Foglar verwies allerdings darauf, dass Österreich schon jetzt das flexibelste Land in Europa sei. Die Debatte sei verfehlt, denn die Menschen sollen später in Pension gehen. Dazu brauche man kürzere, maßgeschneiderte Arbeitszeiten, um die Belastungen zu reduzieren.