Rund 7,5% der Österreicher besitzen Aktien. Das ist im internationalen Vergleich beschämend wenig. Dazu kommt noch, dass in den Portefeuilles hauptsächlich ausländische Papiere enthalten sind. Auch Banken, Versicherungen und andere institutionelle Investoren verschmähen den Finanzplatz Wien. Doch es naht Rettung: Finanzminister Karl Heinz Grasser will der Öffentlichkeit in den nächsten Wochen eine Persönlichkeit präsentieren, die als "Kapitalmarkt-Champion" den Handel in österreichischen Wertpapieren ankurbeln soll.
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"Wir suchen eine glaubwürdige Persönlichkeit", sagte Grasser gestern in einer Pressekonferenz. Er hoffe auf einen Idealisten, der im wesentlichen ehrenamtlich tätig sein soll und eine übergreifende Koordinationsfunktion zwischen Wiener Börse AG, Nationalbank und Kontrollbank ausüben soll. Es werde niemand aus der Hochbürokratie oder aus der Politik sein, ergänzte Grasser.
Laut Antonella Mei-Pochtler, Geschäftsführerin der Boston Consulting Group Wien, drängt die Zeit: "Es ist fünf Minuten vor 12." Der österreichische Kapitalmarkt sei mit seiner "Super-Infrastruktur" mit einer tollen Autobahn zu vergleichen, auf der kein Verkehr herrsche, sagte Mei-Pochtler. Um mehr Autofahrer auf die Straße zu bringen, sprich: um den österreichischen Kapitalmarkt für Anleger interessant zu machen, bedürfe es angebots- wie nachfrageseitiger Impulse.
Es müssten unter anderem mehr neue Unternehmen an die Wiener Börse gebracht werden, sagte Mei-Pochtler. Zu diesem Zweck sollte Klein- und Mittelbetrieben Unterstützung beim IPO (Initial Public Offering) angeboten werden. Auch die anstehenden Privatisierungen der ÖIAG sollen zu einer Belebung des Kapitalmarktes beitragen. Grasser wollte dazu allerdings keine näheren Angaben machen. Die Wiener Börse solle jedenfalls durch Privatisierungen nicht geschwächt werden, sagte er in Anspielung an das Zusammengehen der Bank Austria mit der HypoVereinsbank. Diese hatte zu einem Delisting der Bank Austria-Aktie geführt.
Dass Österreich in Hinblick auf den Kapitalmarkt ein "Entwicklungsland" ist, drückt sich in der Marktkapitalisierung (2000: 30 Mrd. Dollar) und im Handelsvolumen (10 Mrd. Dollar) aus. Österreich liegt damit auf den letzten Plätzen im europäischen Länderranking.