Der Star-Anwalt | Ed Fagan muss das Spielfeld räumen. | Vorläufige Einigung in Österreich. | Wien/NewYork. Etwas verspätet zum Jahrestag der Katastrophe befindet sich die Causa Kaprun wieder in aller Munde: Das Ende der Rechtsstreitigkeiten betreffend das Seilbahnunglück vom 11. November 2000 am Kitzsteinhorn mit 155 Toten scheint durch eine außergerichtliche Lösung in Sicht.
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Anfang der Woche erzielte die Vermittlungskommission mit den Rechtsvertretern der Opfer beziehungsweise deren Hinterbliebenen eine weitgehende, noch vorläufige Einigung. Insgesamt steht eine Summe von 13,4 Millionen Euro für die Schmerzengeldansprüche zur Verfügung, die nach einem Punktesystem, bei dem der Verwandtschaftsgrad zwischen Opfer und Hinterbliebenen berücksichtigt wird, aufgeteilt werden soll. Wird diesem Vergleich zugestimmt, sind damit sämtliche weitere Ansprüche verglichen.
Wird von Rechtsstreitigkeiten um Kaprun gesprochen, treten immer wieder Hinweise auf das vor New Yorker Gerichten anhängige Kaprun-Verfahren auf. Da acht Amerikaner bei dem Unglück starben, strebte der medienwirksame US-Anwalt Ed Fagan sowohl für die Verwandten der US-Bürger als auch für die Hinterbliebenen von ausländischen Opfern zusammen mit anderen Anwälten ein Verfahren nach amerikanischem Recht in New York an.
US-Anwälte werben für amerikanische Gerichte
Dieses Vorgehen ist in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten: Bei Großkatastrophen tauchen US-Anwälte auf, die Klagen in den USA gegen europäische Unternehmen anstreben und sich an jeder noch so kleinen Verbindung zu den USA festhalten, um so eine Zuständigkeit vor US-Gerichten zu begründen.
Das Ziel dieser Versuche von "Forum Shopping" - einen Gerichtsstand aufgrund erhöhter Gewinnaussichten anzustreben, selbst wenn andere Gesichtspunkte wie etwa praktische Überlegungen für die leichtere Durchführbarkeit des Prozesses für einen anderen Gerichtsstand sprächen - besteht dabei darin, Schadenersatzzahlungen nach US-Vorbild zu erzielen.
Käme es zu einer Anwendung US-amerikanischen Rechts, könnte mit weitaus höheren Schadenersatzzahlungen als in Europa sowie mit häufig zusätzlich zuerkannten "punitive damages" (Strafschadenersatz) gerechnet werden, die nach österreichischem Recht in diesen Fällen abgelehnt werden. Weiters bekommen US-Anwälte ein Erfolgshonorar in der Höhe von ungefähr einem Drittel der für die Opfer erstrittenen Summen. Dieses System der Bezahlung wird aus europäischer Sicht kritisiert und wäre etwa in Österreich als sitten- und standeswidrig einzustufen.
Hinsichtlich der Zuständigkeit der US-Gerichte in der Causa Kaprun wurde im November 2001 entschieden, dass das US-Bundesgericht des Süddistrikts von New York zuständig sei. In Bezug auf das anzuwendende Recht wurde jedoch auf österreichisches verwiesen.
2003 wurde eine Class Action - die amerikanische Sammelklage - zugelassen, der sich auch ausländische Kläger anschlossen.
Doch diesen Sommer erlitt Fagan zwei große Rückschläge. Einerseits verneinte die Entscheidung vom 19. Juni 2007 die Zuständigkeit von US-Gerichten für Nicht-Amerikaner in der Causa Kaprun. Die betroffenen Kläger stammten dabei aus Deutschland, Österreich, Japan und Slowenien. Damit haben Nicht-Amerikaner keine Möglichkeit mehr, zu Schadenersatzzahlungen vor US-Gerichten zu kommen. Diese Entscheidung hatte weitreichende Folgen, da bisher medienwirksam von horrenden Schadenersatzzahlungen für alle Opfer gesprochen wurde.
Der zweite Rückschlag war noch heftiger: Im August 2007 wurde Fagan von dem von ihm initiierten Kaprun-Verfahren in den USA ausgeschlossen und kann damit keines der Opfer mehr in diesem Verfahren vertreten. Das Gericht stellte fest, dass es aufgrund des Privatkonkurses, den Fagan im Februar wegen seiner Schulden, die sich auf etwa 13,6 Millionen US-Dollar belaufen, angemeldet hatte, zu einem Interessenkonflikt zwischen dem Anwalt und seinen Klienten komme und damit gegen mehrere Disziplinarvorschriften verstoßen werde.
Fagan nannte nämlich die zu erwartenden Anteile aus dem Kaprun-Verfahren als seine einzige und wichtigste zukünftige Einnahmequelle, um seinen Schuldenberg abzubauen. Diese Konstellation führe laut der Richterin dazu, dass das professionelle Urteilsvermögen des Anwalts durch seine persönliche Situation beeinträchtigt werden könne.
Weiters wurde Fagan zu einer Geldstrafe von 5000 US-Dollar verurteilt, da er versichert hatte, dass es in Deutschland zwei "geheime" Zeugen mit wichtigen Informationen gebe. Diese Behauptung stellte sich in Folge als nicht richtig heraus.
Was die Verfahren vor den US-Gerichten also hauptsächlich gebracht haben: viel Lärm um Nichts.
Dr. Margareth Prisching war zuletzt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zivilrecht, ausländisches und internationales Privatrecht an der Karl Franzens Universität in Graz tätig und absolviert derzeit das Gerichtsjahr.