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Kaprun: Jetzt geht es um das Schmerzensgeld

Von Dieter Friedl

Wirtschaft

Versicherungen erwarten hohe Kosten. | Ausmaß der Zahlungsverpflichtungen unklar. | Salzburg, Wien. Nach den endgültigen Freisprüchen in der Causa Seilbahnkatastrophe Kaprun laufen nun die Zivilprozesse an. Es ist mit erhöhten Schadenersatzzahlungen zu rechnen, was in Zukunft auch Auswirkungen auf andere Schadensfälle, für die heimische Versicherungen haften, haben könnte.


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Am Dienstag, den 27. September wurde strafrechtlich ein Schlussstrich unter die Seilbahnkatastrophe von Kaprun, bei der 155 Menschen, darunter 92 Österreicher, starben, gezogen. Das Strafverfahren gegen acht Beschuldigte endete in letzter Instanz mit einem Freispruch.

Damit ist es aber noch nicht zu Ende. Jetzt kommt die Zeit der Versicherer, fast 100 zivilrechtliche Verfahren (243 Kläger), die bis zum Ende des Strafrechtsverfahrens ruhend gestellt wurden, werden nun fortgesetzt. Die nun anstehenden Prozesse könnten für künftige Zahlungen bei Schadensfällen Präjudizcharakter haben.

Opfer fordern 9,5 Mio.

Es geht um eine Klagssumme in Höhe von 9,5 Millionen Euro, die die Kläger von der Gletscherbahn Kaprun fordern. Diese ist bei der Generali Versicherung mit 23,3 Millionen versichert, wobei aber bereits 10 Millionen ausbezahlt sind (2,2 Millionen an Schmerzengeld für seelisches Leid an 300 Hinterbliebene, 4,2 Mill. an Begräbniskosten, der Rest sind Verfahrenskosten). Generali Schadenschef Erik Eybl zur "Wiener Zeitung": "Da auch noch Regressansprüche von Sozialversicherungen ausstehen, steht derzeit nur noch ein Betrag von rund vier Millionen zur Verfügung". Alles, was darüber hinausgeht, müsste die Gletscherbahn aus eigener Kasse berappen.

Erik Eybl geht davon aus, dass man erst einmal einige Musterverfahren vor Gericht zu führen habe, um individuelle Ansprüche feststellen zu können. Da wird es beispielweise darum gehen, ob auch Geschwister und Onkel und Tanten (derzeit nur Eltern, Kinder, Ehepartner und Lebensgefährten) anspruchsberechtigt sind.

Auch die Höhe des Schmerzengelds für seelisches Leid steht zur Diskussion. Generali hat nun einmal pro Person 7300 Euro ausbezahlt, die zusätzlichen Forderungen reichen aber in Einzelfällen bis zu 60.000 Euro. Nach Vorliegen einiger gerichtlicher Entscheidungen, die auch für künftige Verfahren gelten sollten, könnte man dann versuchen mit dem Gros der Kläger zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Erste Urteile könnten im kommenden Jahr vorliegen, wobei Eybl nicht davon ausgeht, dass wieder der komplette Instanzenweg ausgeschöpft werden wird.

Abseits von diesen Verfahren laufen auch noch Klagen in Höhe von 1,1 Mrd. Euro in den USA, die von 16 Hinterbliebenen der insgesamt acht USTodesopfer eingebracht wurden und die im Fahrwasser des berühmt-berüchtigen US-Anwaltes Ed Fagan segeln. Sammelklagen, die Fagan für europäische Todesopfer angestrengt hat, wurden inzwischen abgewiesen.

Erik Eybl sieht diesen Verfahren gelassen entgegen, etwaige Urteile sind in Österreich nicht vollstreckbar, und könnten nur Firmen betreffen, die in den USA aktiv sind.

Lösung durch Fonds?

Neben den gerichtsanhängigen Zivilrechtsprozessen läuft aber auch noch eine Schadensregulierung auf einer anderen Ebene. Unter der Leitung des Chefs der österreichischen Notenbank Klaus Liebscher ist eine Vermittlungskommission tätig, die einen Fonds einrichten möchte, der über die Versicherungssumme hinausgehende Geldmittel aufbringen könnte. Dafür müsste aber einmal Rechtssicherheit eintreten. Das heißt, alle Betroffenen müssten bereit sein, auf Klagen zu verzichten, wenn entsprechende zusätzliche Mittel aufgebracht werden. Dies dürfte aber noch einige Zeit dauern, sodass ein Lösungsansatz derzeit noch nicht möglich scheint.

Für die Versicherungswirtschaft sollten aber die Verfahren Klarheit darüber bringen, mit welchen Zahlungen sie in Zukunft zu rechnen haben. Die Höhe des Schmerzengeldes für immaterielle Schäden war bisher ein weißer Fleck auf der Landkarte der österreichischen Rechtsprechung. Keine Klärung wird es für einen Bereich geben, der im Vorjahr heftig diskutiert wurde, nämlich Entschädigungszahlungen für nachvollziehbare Todesangst oder Angst, schwer verletzt zu werden. Im ebenso diskutierten Bereich der Zahlungen für den "Verlust der Erlebnisfähigkeit", etwa bei Komapatienten, scheint die Rechtssprechung eher zurückhaltend zu sein.

Unbestritten ist, dass die Höhe der Schadenersatzzahlungen ständig zunimmt, eine Kostenlawine rollt auf die Versicherungen zu.