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Karachi: "Es war die Hölle"

Von Nadeem Afzal

Politik

Karachi - Kurz vor acht Uhr morgens. Die Ingenieure und Arbeiter aus Frankreich, die für den Bau eines U-Boots nach Karachi geschickt worden sind, warten vor dem Sheraton-Hotel der pakistanischen Hafenstadt auf ihre verspäteten Kollegen. Der Bus, der sie zur Arbeit im Hafen bringen soll, wird jedoch nie losfahren: Eine Explosion zerreißt das Fahrzeug, 14 Menschen - unter ihnen zwölf Franzosen - werden getötet, dutzende Personen zum Teil schwer verletzt.


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Ein Selbstmordanschlag, lautet das Ergebnis der ersten Ermittlungen. Offenbar habe sich der Attentäter in einem zweiten Fahrzeug in die Luft gesprengt. Er habe das Quietschen von Reifen gehört, dann den Knall, berichtet der Büroleiter der Niederlassung von China Airlines, Raiz Saddiqi. "Ich rannte nach draußen. Ich wusste überhaupt nicht, was los war. Ich war zu Tode erschrocken."

"Es war die Hölle", sagt Polizist Naseer Tanoli, der zum Zeitpunkt der Explosion am Mittwochmorgen auf Streife in der Nähe des Hotels war. "Ich hörte Schreie und immer mehr Schreie", sagt Sheraton-Kellner Mohammed Anis. "Und ich sah Blut, es war überall. Und Körperteile." Er bricht ab, seine Hände zittern. Ein verletzter Hotelangestellter eilt den Opfern zu Hilfe, berichten Augenzeugen. Er hält Autofahrer an, bittet sie, die leichter Verletzten ins Krankenhaus zu bringen. Krankenwagen bahnen sich mühsam den Weg durch den Verkehr.

Drei Meter tiefer Krater

Einen drei Meter tiefen Krater hat die Detonation in die Straße gerissen. Mehrere in der Umgebung geparkte Autos sind beschädigt, zahlreiche Fensterscheiben der umliegenden Gebäude zu Bruch gegangen. "Auch im Hotel schrien Menschen, auf der Straße sah ich mehrere Tote. Es war schrecklich", sagt der Captain der pakistanischen Cricketmannschaft, die in einem Hotel auf der anderen Straßenseite untergebracht ist. Das geplante Fünf-Tage-Match gegen die Neuseeländer wird abgesagt. Das neuseeländische Team kündigt an, umgehend nach Hause zurückzukehren.

Wer hinter dem Anschlag steckt, darüber gibt es zunächst nur Spekulationen. Präsident Pervez Musharraf spricht im Fernsehen von "einem Akt des internationalen Terrorismus" und kündigte scharfe Gegenwehr an. "Meine Regierung ist entschlossen, der Bedrohung zu begegnen." Wenngleich sich zunächst niemand zu der Tat bekannte, wurde vermutet, dass islamische Extremisten dahinter stecken könnten, die den prowestlichen Kurs der pakistanischen Regierung und ihre Unterstützung der US-Offensive in Afghanistan bekämpfen.

Spur zu El Kaida?

Pakistanische Geheimdienste warnen indessen vor einer weltweiten Serie von Anschlägen der Terrororganisation El Kaida. Die Organisation verfüge über hunderte Männer, die bereit seien, für Anschläge gegen die USA und deren Verbündete zu sterben. Die pakistanische Polizei machte die Organisation El Kaida des mutmaßlichen Terroristenführers Osama bin Laden für den Selbstmordanschlag am Mittwoch veantwortlich. "Der Anschlag trägt sämtliche Merkmale einer gut trainierten internationalen Terrororganisation", sagte Innenminister Tasneem Nurani.