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"Karatschi-Affäre" belastet Sarkozy

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Europaarchiv
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy reagierte äußerst verärgert auf Journalistenfragen. Foto: reuers/Eric Feferberg

Neue Ermittlungen als Hemmschuh auf dem Weg zur Wiederwahl 2012. | Flossen Kommissionszahlungen an Sarkozys politischen Ziehvater Balladur? | Paris. "Bis morgen, pädophile Freunde." Mit diesen Worten reagierte ein sichtlich verärgerter Nicolas Sarkozy jüngst am Rande des Nato-Gipfels auf Journalistenfragen nach seiner Rolle in der Schmiergeldaffäre rund um einen U-Boot-Deal mit Pakistan in den Neunzigerjahren.


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Ein Drehbuchautor hätte den Plot für einen Polit-Thriller rund um Waffendeals, Schmiergeld und Korruptionsverdacht nicht besser erfinden können. Doch die "Karatschi-Affäre" belastet die französische Staatsspitze ganz real, seit zwei neue Richter den stockenden Ermittlungen neuen Schwung geben. Alte Rivalen zweier Generationen stehen einander gegenüber: Ex-Präsident Jacques Chirac und Ex-Premierminister Dominique de Villepin auf der einen, Ex-Premier Edouard Balladur und Präsident Nicolas Sarkozy auf der anderen Seite. Die Medien sprechen schon vom "Karatschi-Gate" mit dem Potenzial, Frankreichs neue Staatsaffäre zu werden.

Es führt zurück zum 8. Mai 2002, drei Tage nach der Wiederwahl Chiracs zum Präsidenten. Bei einem Sprengstoff-Anschlag auf einen Bus in der pakistanischen Metropole Karatschi starben 15 Menschen, darunter elf Ingenieure des französischen Schiffsbauers DCN, die dort an drei Unterseebooten des Typs Agosta 90-B arbeiteten. Die Ermittler gehen von einem Attentat islamischer Extremisten aus. Zwei Männer werden als angebliche Drahtzieher zum Tod verurteilt und sechs Jahre später wieder freigesprochen - neue Ermittlungen weisen auf einen Zusammenhang mit verdeckten Schmiergeldzahlungen aus dem U-Boot-Geschäft hin.

825 Millionen Euro Kommissionszahlungen

Frankreich hatte die Boote 1994 an Pakistan verkauft. Wie durchaus üblich, bestand gut ein Zehntel des umgerechnet rund 825 Millionen Euro schweren Deals aus Kommissionszahlungen, also Schmiergeld an pakistanische Politiker und Vermittler. Doch möglicherweise nicht nur: Über zwei libanesische Geschäftsmänner, die Premierminister Balladur in letzter Minute von Premierminister Balladur einschaltete, könnte ein Teil als Retrokommissionen zurück nach Frankreich geflossen sein - und zwar in Balladurs Wahlkampfkasse. Dieser buhlte mit seinem ebenfalls konservativen Gegner Chirac gerade erbittert um Stimmen für die Präsidentschaft. Hohe Bareinzahlungen auf das Wahlkampf-Konto mit unklarer Herkunft sind belegt. An Balladurs Seite stand sein Sprecher und politischer Ziehsohn, Nicolas Sarkozy. Als Budgetminister hatte er die Zahlungen nach Pakistan abgesegnet. Er wird sogar verdächtigt, Offshore-Firmen in Luxemburg mit aufgebaut zu haben.

Als Chirac 1995 das Rennen um den Elysee-Palast gewann, ließ er in Absprache mit seinem Generalsekretär de Villepin die noch ausstehenden Kommissionszahlungen nach Pakistan stoppen - mit dem Risiko, sich Feinde in den Reihen der Militärs zu machen.

Affäre als Schauplatz für offene Rechnungen

Rächten sich diese mit dem blutigen Anschlag? Die Hinterbliebenen der Opfer fordern Anhörungen der Beteiligten von de Villepin über Sarkozy bis hin zu Alain Juppe, damals Premier und heute Verteidigungsminister. Wer wusste was - und wem nützt die Affäre für offene Rechnungen?

Bei einem Fernsehauftritt bestätigte Dominique de Villepin den "sehr starken Verdacht" auf Rückflüsse nach Frankreich, ohne formelle Beweise zu haben. Den Vorwurf, der Zahlungsstopp aus dem U-Boot-Deal habe sieben Jahre später das Attentat ausgelöst, weist er zurück. Noch in dieser Woche will er aussagen, denn er sei für "absolute Transparenz" statt politischer Rache - eine Spitze gegen Sarkozy, der Fragen nach Karatschi entrüstet als "groteske" Unterstellungen abtut. Als Präsident ist er gegen Strafverfolgung immun, doch mit dem Korruptionsverdacht behaftet, dürfte er sich mit einer Wiederwahl 2012 noch schwerer tun als ohnehin. Zumal im kommenden Jahr eine Wiederauflage des "Clearstream"-Prozesses folgt, bei dem sein Gegner vom Rufmord-Vorwurf, Rufmord an Sarkozy in erster Instanz freigesprochen wurde. Und dieser Gegner heißt Dominique de Villepin.