In Rom hat nun endgültig die Zeit des "Vor-Konklaves" begonnen. Nach der Beisetzung von Papst Johannes Paul II. richten sich die Scheinwerfer der internationalen Medien auf die bisher 130 Kardinäle - wahlberechtigt sind nur 117, die noch nicht 80 Jahre alt sind -, die in Rom in täglichen, stundenlangen Sitzungen darüber beraten, wie das Konklave zu organisieren ist. Zum Leidwesen der Reporter aus aller Welt haben sich die Kardinäle jedoch bereits am Tag nach dem Papst-Begräbnis darauf verständigt, keine Interviews mehr zu geben und auch alle vorher verabredeten Interviewtermine abzusagen.
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Vor allem für die großen amerikanischen TV-Networks, die rings um den Vatikan auf Dachterrassen Stellung bezogen haben, ist dies ein herber Schlag. Denn die amerikanischen Kardinäle, die aus ihrer Heimat selbst bei heiklen Themen einen sehr offenen Umgang mit den Medien gewohnt sind, dürfen nun ebenso wenig für Live-Schaltungen zur Verfügung stehen wie die meist gesprächigen Italiener.
Nun schlägt die Stunde der etablierten "Vaticanisti", die aus langjähriger Tätigkeit in der Ewigen Stadt über intensive Kontakte verfügen und auf deren Diskretion ein Kardinal vertrauen kann, wenn er mit ihnen spricht. Einzelne Fragmente dieser "Hintergrund-Informationen" werden wiederum unter den Journalisten heiß gehandelt, und so brauen sich aus Informationen, Spekulationen und Halbwissen schnell Gerüchte zusammen.
So wollte etwa die italienische Tageszeitung "Il Messaggero" in ihrer Sonntagsausgabe wissen, dass derzeit die Option für einen lateinamerikanischen Papst stark an Unterstützung gewonnen habe. In den Restaurants in Vatikannähe, derzeit die zentralen Umschlagplätze für Nachrichten und Gerüchte aller Art, wird erzählt, die Lateinamerikaner, die mit 21 Wahlberechtigten einen der stärksten "Blöcke" im Konklave bilden könnten, hätten sich bereits bei einem informellen Treffen über Perspektiven unterhalten. Bestätigungen für solche Gerüchte gibt es freilich nicht. Die wenigen öffentlichen Sätze, die man in diesen Tagen Kardinälen entlocken kann, sind freundliche Bonmots. So bestätigte Kardinal Tarcisio Bertone aus Genua, der schon als Kommentator von Fußballspielen aufgetreten ist, er finde das Konklave so spannend wie eine Fußball-WM. Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper unterstrich, was ohnehin alle wissen: Dass der künftige Papst kein Mann der Extreme, sondern einer mit breitem Rückhalt sein müsse.
Es ist unwahrscheinlich, dass es einzelnen Journalisten gelingen wird, den Kardinälen künftig mehr als solche Binsenweisheiten zu entlocken. Denn die meisten dürften sich an das Schweigegebot halten, zu dem sie sich selbst bei ihrer Sitzung am Samstag einstimmig verpflichtet haben. Darüber, wie dieses Gebot zu verstehen sei, gibt es freilich unterschiedliche Auffassungen. Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls erklärte, es handle sich nicht um ein "juristisches Verbot", sondern eher um eine kollektive Selbstverpflichtung und um einen Appell an die Medien. Andere Stimmen berichten, das Schweigegebot sei durchaus ernst gemeint und werde auch so gehandhabt.