Mag auch einer der 24 neuen Kardinäle, die am Samstag von Papst Benedikt XVI. ihre Insignien empfangen, Marx heißen und ein Buch mit dem Titel "Das Kapital" verfasst haben - auf Linkskurs ist seine Kirche derzeit sicher nicht. Reinhard Marx, Erzbischof von München und als solcher Nach-Nachfolger von Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst, engagiert sich zwar in sozial- und wirtschaftsethischen Fragen, steht aber sicher nicht dem Kommunismus nahe, ebenso wenig wie alle anderen neuen Purpurträger.
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Die Römisch-katholische Kirche ist eine der letzten echten Monarchien der Welt, das entscheidende Wort hat in allen Fragen als Stellvertreter Christi der Papst in Rom. Die Ebene darunter, das Kollegium der Kardinäle, besitzt dann Bedeutung, wenn ein neuer Papst zu wählen ist. Denn diese Wahl ist einzig und allein den Kardinälen, und zwar jenen, die noch nicht das 80. Lebensjahr vollendet haben - ihre Zahl sollte theoretisch 120 nicht übersteigen -, vorbehalten. Da ausschließlich der Papst Kardinäle "kreiert" - wörtlich also "schafft" und nicht ernennt -, nimmt er großen Einfluss darauf, aus welchem Holz dereinst sein Nachfolger geschnitzt ist.
An den 24 neuen Eminenzen fällt einmal das hohe Durchschnittsalter auf. Marx ist mit 57 Jahren der Jüngste. Jünger als 65 Jahre sind sonst nur noch der Schweizer Kurt Koch und der Amerikaner Raymond Leo Burke - beide an der römischen Kurie tätig -, der Warschauer Erzbischof Kazimierz Nycz und Malcom Ranjith aus Sri Lanka.
Der Papst setzte keine Schritte in Richtung einer repräsentativen Vertretung der Weltkirche, im Gegenteil, es wurde massiv der römische Zentralismus gestärkt: Zehn der neuen Kardinäle haben wichtige Ämter im Vatikan inne, nur acht leiten noch eine Diözese, die übrigen sechs sind im Ruhestand und vier von ihnen gar nicht mehr zur Papstwahl berechtigt.
Auch geographisch werden die Gewichte zurück zum Eurozentrismus verschoben: Zu 15 Europäern kommen vier Afrikaner, zwei US-Amerikaner, nur zwei Lateinamerikaner (es ist der an Katholiken reichste Teil-Kontinent) und ein Asiate. Dass von den Europäern zehn Italiener sind (allerdings zwei davon über der Altersgrenze), erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Papst aus diesem Land kommt.
Die Kardinalskreationen lassen wie die gegenwärtige vatikanische Kirchenpolitik Sehnsucht nach "guten alten Zeiten" in einer noch nicht von den nachkonziliaren Konflikten geprägten Kirche erkennen. Dazu passt es, dass Rom, wie erst kürzlich bekannt wurde, neuen Statuten für das umstrittene Engelwerk seinen Segen erteilt hat.
Das vatikanische Interesse, den rechten Rand der Kirche bei der Stange zu halten, wie es schon im Zugehen auf die Petrusbruderschaft sichtbar wurde, ist offensichtlich ungebrochen. Mit dem Rückzug auf sehr traditionelle Positionen und Strukturen stehen aber der Römisch-katholischen Kirche womöglich an anderen Rändern Zerreißproben mit weit größeren Verlusten an Gläubigen bevor.
Siehe auch:24 Männer erhalten Kardinalspurpur