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Karl Korinek

Von Andreas Unterberger und Stephanie Dirnbacher

Reflexionen

Ein Gespräch mit dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes Karl Korinek über das Menschenrechtsgericht, soziale Grundrechte und Asyl.


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Wiener Zeitung:Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) betreibt eine sehr dynamische Judikatur in Sachen Grundrechte. Freut Sie das?Karl Korinek: Es ist bedenklich, wenn der EGMR von der Rolle einer Kontrolle der Staaten zu einer gestaltenden Rolle wechselt und agiert, wie wenn er eine Instanz wäre. Er versucht, die eigene Abwägung anstelle der Abwägung des Kontrollierten zu setzen.

Maßt sich der EGMR eine rechtssetzende Tätigkeit an?

Rechtssetzend wird er dadurch, dass er mehrere Entscheidungen in der gleichen Richtung trifft und man sich dann daran orientieren muss. Er respektiert zu wenig den Ermessensraum der nationalen Rechtsordnungen. Ein Schweizer Richter hat es auf den Punkt gebracht: Man müsse doch akzeptieren, dass wir eine über hundert Jahre lang funktio nierende, hochqualifizierte Rechtsordnung haben, in der wir leben und auf die wir uns eingestellt haben. Wir müssen doch nicht dieselbe Rechtsordnung haben wie die Ukraine!

Hängt diese Entwicklung auch mit der um Staaten wie der Ukraine erweiterten nationalen Zusammensetzung des Gerichtshofs zusammen?

Wenn derartig viele Staaten mit ganz unterschiedlicher Rechtstradition ihre Richter entsenden, geht der einheitliche Boden ein bisschen verloren. Wir hatten ja schon immer das Problem, dass Vertreter des kontinentalen und des angloamerikanischen Rechtssystems Kompromisse finden müssen. Aber jetzt haben wir auch noch andere Staaten mit einem niedrigeren rechtsstaatlichen Niveau. Sehr häufig werden von den jüngeren Mitgliedstaaten auch Richter nominiert, die gar keine Richter sind, sondern ehemalige Politiker.

Welche Folgen drohen durch diese Entwicklung des EGMR?

Dass die nationalen Spielräume zu gering werden und dass eine einheitliche Rechtsordnung aufgezwungen wird, welche die grundsätzliche Verantwortung der Staaten ignoriert. Das tut nicht gut, weil in jedem einzelnen Land vieles aufeinander abgestellt ist und zueinander passt.

Wie wirkt sich das konkret aus?

Wir entscheiden etwa in einem Fall, dass jemand 2004 zu Recht ausgewiesen worden ist. Das EGMR in Straßburg entscheidet drei Jahre später. In der Zwischenzeit hat sich der Betreffende ordentlich verhalten und sich integriert. Dann sagt Straßburg nicht, Österreich hat ihn seinerzeit rechtmäßig ausgewiesen, sondern sagt: Jetzt ist er integriert, daher hat Österreich die Grundrechte verletzt - was nicht wahr ist. Ein anderes Beispiel: Jemand ist ausgewiesen worden, in der Zwischenzeit gibt es in seiner Heimat eine wirkliche Gefahr für ihn. Worauf der EGMR sagt, jetzt darf man ihn dorthin nicht abschieben. Das geht über das Kontrollieren staatlichen Handelns hinaus. Was der EGMR für solche Fälle sicherstellen müsste, wäre, dass es ein ordentliches Verfahren gibt, in dem man sich mit solchen neuen Aspekten auseinandersetzen muss.

Bei seinem Erkenntnis zum humanitären Bleiberecht ist auch dem Verfassungsgerichtshof vorgeworfen worden, er wäre in Richtung Rechtssetzung aktiv.

Das war in Wahrheit nur eine Zusammenfassung der Grundsätze der Straßburger Judikatur.

Dieses humanitäre Bleiberecht ist eigentlich nicht als Beschluss eines Verfassungsgesetzgebers auf die Welt gekommen, sondern als Nachfolgeform des einstigen Gnadenrechts. Jetzt wird das beinhart bis in jedes Kriterium von den Gerichten judiziert.

Wenn es das nicht gäbe, wären aber wahrscheinlich die Anforderungen des Artikel 8 Menschenrechtskonvention ( Anm.: Das "Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens" ) nicht erfüllt.

Themenwechsel: Was ändert die Europäische Grundrechtscharta am Grundrechtsschutz?

Das Problem ist: Wenn die Grundrechtscharta in Kraft tritt, wird es einen dreipoligen Grundrechtsschutz geben, sowohl durch nationale Gerichte als auch durch Straßburg als auch durch den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Straßburg steht dabei aber über den nationalen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof.

Derzeit unterliegen nur die nationalen Gerichte der Straßburger Kontrolle. Die EU vollzieht aber auch einen Teil ihres Rechts direkt, etwa bei Agrarmarktordnung, Fischereirecht oder Wettbewerbsrecht. Diese Entscheidungen können von Straßburg nicht kontrolliert werden. Nach dem beabsichtigten Beitritt der EU zur Menschenrechtskonvention würde auch das durch Straßburg kontrolliert werden. Vor allem müsste man trachten, dass der EuGH die EU-Grundrechte soweit schützt, wie die gemeinschaftsrechtliche Bindung geht und im autonomen Bereich der nationale Grundrechtsschutz greift. Dann hätte man zwar noch immer genug Probleme - Doppelgleisigkeit, wo ist die Trennlinie zwischen zwingender Vorgabe und freier Gestaltung -, aber immerhin hätten wir ein klares System.

Wenn Straßburg alles kontrolliert, würde allerdings ein weiteres Problem schlagend: Der Gerichtshof in Straßburg müsste effizient werden, denn das ist er derzeit nicht. Er hat nicht weniger als 14.000 Verfahren liegen.

Wird es nicht für eine in ihren Grundrechten verletzte Partei schwierig zu entscheiden, ob sie jetzt durch die Richtlinie oder durch deren nationale Umsetzung geschädigt worden ist?Die Parteien müssten schon zu uns kommen, direkt nach Luxemburg geht es ja nicht. Wir müssten dann sagen, ob wir überhaupt kein Problem sehen, oder das Problem bei der Richtlinie oder bei der Umsetzung sehen. Es würde jedenfalls zu viel mehr Vorabentscheidungen beim EU-Gerichtshof kommen.

Das klingt sehr kompliziert.

Ja. Das spielt auch bei der Frage eine Rolle, wie wir die Verfahrensdauer in den Griff bekommen. Der EuGH hat jetzt ein beschleunigtes Vorabverfahren beschlossen, wo nicht mehr alle Staaten zwingend beteiligt sein müssen. Sie werden nur noch die Möglichkeit haben, sich an der mündlichen Verhandlung zu beteiligen, nicht mehr am davorliegenden schriftlichen Verfahren. In diesem ist ja vor allem das Übersetzen ein Riesenproblem. Dabei wird immer in alle Sprachen hin und her übersetzt, das ist natürlich in der mündlichen Verhandlung leichter.

Bisher haben sich alle 27 Staaten in jedem einzelnen EuGH-Verfahren geäußert?

Sie können sich enthalten, aber sie dürfen sich äußern. Das hat seine Logik: Eine Entscheidung des EuGH hat ja Wirkung gegen alle. Wenn es in einem Verfahren um ein Rechtsproblem mit Spanien geht, das als Problem auch für uns eine große Bedeutung hat, müssen wir mitreden können.

Die Konstruktion zweier europäischer Gerichtshöfe - sollte man das nicht langfristig abschaffen?

Man wird das nur dann langfristig lösen können, wenn der Europarat, der ja den Straßburger Gerichtshof trägt, dieselben Mitglieder hat wie die EU. Der Europarat ist halt doppelt so groß wie die EU.

Kasachstan wird aber wohl nie in die EU kommen.

Aber wollen wir es deshalb von der Grundrechtskontrolle ausnehmen?

Zur österreichischen Verfassungsreform: Wirtschaftsvertreter hatten gehofft, dass man sich dabei bis zu vier Milliarden einsparen kann. Realistisch müssen wir uns diese Hoffnung wohl schon längst abschminken.

Ich habe diese Zahlen nie verstanden. Das sind Wünsche, die aber nie berechnet wurden. Am meisten hat man sich von der Kompetenzverteilung und von der Neuorganisation der Verwaltung erwar tet. Beides ist nicht wirklich geschehen. Durch Entrümpeln allein kann man nicht so viel einsparen.

Die Aufnahme der Sozialpartner in die Verfassung oder die Verfassungsbestimmungen zur Pflege - das ist ja eigentlich das Gegenteil von Entrümpeln.

Ja.

Was bedeutet die Aufnahme der Sozialpartner in die Verfassung eigentlich?

Das ist eine Art Bekenntnis so wie das Bekenntnis zu einer umfassenden Landesverteidigung. Das werden wir kaum je judizieren können. Mir sind an sich immer Bestimmungen im guten alten österreichischen Verfassungsstil lieber, wo man klar sagt: Das ist angeordnet und das ist die Rechtsfolge, wenn die Anordnung nicht eingehalten wird. Ich halte nicht viel von diesem Erklärungs-, Deklarationen- oder Präambelstil.

Zum neuen Asylgerichtshof: In der Fernseh-Pressestunde haben Sie den noch durchaus positiv kommentiert. Dann aber haben Sie in einer Aussendung darauf hingewiesen, dass damit eine Fülle von Fällen auf den Verfassungsgerichtshof zukommen wird.

An eine positive Kommentierung kann ich mich nicht erinnern. Ich habe bei der Pressestunde, wo ja noch nichts entschieden war, zwei Wege aufgezeigt: Den Weg, den Verwaltungsgerichtshof zuständig zu belassen und ihm ein noch weiteres Recht der Ablehnung von aussichtslosen Beschwerden zu geben; und den anderen Weg, ein Asylgericht als Sonderverwaltungsgericht statt des Verwaltungsgerichtshofs einzurichten. Man ist jetzt den zweiten Weg gegangen. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass wir stärker angerufen werden, weil manche Anwälte glauben könnten, wir sind eine Art Ersatz-Verwaltungsgericht. Wir überlegen jetzt natürlich, welche Vorkehrungen man treffen muss.

Die zweite Äußerung war eine sehr deutliche Erklärung an die Spitzen von Regierung und Parlament: Wenn jetzt durch diese Konstruktion verstärkte Anforderungen an unseren Gerichtshof herangetragen werden, muss man uns die entsprechenden Ressourcen geben, dass wir diese Anforderungen lösen können.

Wie könnte das aussehen?

Das ist dann eben keine einfache Beschwerde gegen eine Verwaltungsbehörde, sondern eine Entscheidung gegen ein Urteil eines partiellen Höchstgerichts. Wir müssen uns überlegen, wie wir es mit dem Referentensystem machen, ob wir genügend wissenschaftliche Mitarbeiter haben, wie wir die Lage in den einzelnen Ländern prüfen, ob die Verfahren vereinfacht werden können - vermutlich nicht allzu sehr. Das wird in der Vorbereitung jedenfalls ein ziemlicher Aufwand.

Sie haben das Fremdenrecht sehr heftig kommentiert. Was ist der genaue Inhalt Ihrer Kritik?

Die Vorschriften passen nicht zusammen. Zwei Beispiele: Im Aufenthaltsgesetz steht zum Beispiel: Freizügigkeit ist, dass ein fremder EU- oder EWR-Bürger in Österreich Wohnsitz nehmen darf. In einer anderen Bestimmung steht: "Wenn der Österreicher von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat". Für den Österreicher gilt diese Freizügigkeit nach dem Gesetz gar nicht, weil er ja jedenfalls im Bundesgebiet alle Rechte hat. Solche Dinge stören so wahnsinnig, weil man die Widersprüchlichkeit auflösen muss.

Dann haben wir stundenlang diskutiert, was die Regel bedeutet, dass man im Falle einer humanitären Aufenthaltsbewilligung dem Betreffenden gestatten kann, den Antrag vom Inland aus zu stellen. Wenn der Betreffende einen Abschiebeschutz wegen einer Gefährdung im Sinne des Artikels 3 EMRK (Folterverbot) zu erwarten hat, kann ich nicht sagen, die Behörde kann es zulassen. Dann muss sie es wahrscheinlich unter gewissen Umständen zulassen.

Ihre Kritik geht gegen juristisch-handwerklichen Pfusch, aber nicht dagegen, dass das Gesetz zu liberal oder zu autoritär wäre.

Richtig. Die Legistik ist nicht gelungen: Wegen der Kasuistik ( Anm.: Dass man jeden Einzelfall im Detail durch Gesetz regeln will ), durch die Unübersichtlichkeit und das mangelnde Zusammenpassen.

Wie sieht es mit der Verfahrensdauer im Bereich des Fremdenrechts aus? Das ist ja ein zentraler Kritikpunkt.

Ein Teil der Probleme der Verfahrensdauer liegt darin, dass es zu viele unterschiedliche Verfahren gibt. Da gibt es das Asylverfahren, das Schubhaftverfahren, das Abschiebungsverfahren, das Ausweisungsverfahren, das Niederlassungsverfahren. Diese Vielfalt kann von geschickten Anwälten legal genutzt werden, Fristen zu kumulieren. Diese Vielfalt der Verfahren gehört einfach bereinigt.

Woher kommt es eigentlich, dass die Qualität der Gesetze zunehmend bejammert wird?

Eine Ursache ist, dass man junge Juristen, die noch keine Erfahrung mit der Anwendung haben, relativ früh in die Legistik eines Ministeriums setzt ( Anm.: Das sind jene Abteilungen, wo die Gesetzesentwürfe ausformuliert werden ). Das zweite Problem ist, dass zu kasuistisch gedacht wird. Da geht der Überblick verloren.

Ich glaube aber auch, dass es den Abgeordneten weitgehend egal ist, wie ein Gesetz formuliert ist. Man fühlt sich nicht dafür verantwortlich - auch nicht dafür, ob es funktioniert oder enorme Probleme in der Anwendung aufwirft. Ein weiteres Problem sind die häufigen Novellierungen und die Änderungen an Gesetzestexten, die Abgeordnete im letzten Augenblick in Ausschüssen vornehmen.

Ist es nicht gerade in solchen Fällen wie zum Beispiel beim Fremdenrecht wahnsinnig frustrierend, wenn man da als Verfassungsgerichtshof nur kassatorisch entscheiden kann, also Rechtsakte nur aufheben, aber in der Sache selbst nicht entscheiden kann?

Wir können versuchen, manches mit Auslegung zu lösen. Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz hätte man wohl auch wegen Widersprüchlichkeit aufheben können. Eine Reparatur durch den Gesetzgeber hätte aber wohl wieder eine Lösung gebracht, die nicht konsistent ist.

Sowohl in Europa als auch in Österreich werden sogenannte soziale Grundrechte möglicherweise bald geltendes Recht sein. Geht es da auch nur um eine nicht konkret wirksame Präambel-Lyrik oder werden da etwa bis zur Steuerbegünstigung des 13. und 14. Gehalts plötzlich der gesamte Sozialstaat und zusätzliche Ausbaupflichten unter dem allerhöchsten Schutz stehen?

Man kann es noch nicht sagen. Die Europäische Grundrechtscharta enthält soziale Grundrechte. Ob die genauso realisiert werden können wie die klassischen Freiheitsrechte, wird diskutiert. Die nationalen Verfassungsgerichte judizieren soziale Grundrechte zum Teil nicht, aber im EuGH wird das durch den Vertrag von Lissabon plötzlich Gegenstand. Das ist ein Problem. Wir müssen warten, was die Luxemburger Richter daraus machen. Die Bemühung in Österreich in der Grundrechtsreform ist, den sozialen Grundrechten zumindest bestimmte inhaltliche Konturen zu geben.

Österreich hat derzeit keine sozialen Grundrechte, aber trotzdem eine der höchsten Sozialquoten der Welt. Ist es schlau, diese per Verfassung einzuzementieren? Was machen wir in einer Wirtschaftskrise? Beispiel Argentinien: Dort kam der Staatsbankrott, weil Richter gesagt haben, den Beamten darf man keine wohlerworbenen Rechte nehmen. Wenn man solche Dinge per Verfassung schützt, kommt man eines Tages in den Konflikt Verfassungskrise versus Staatsbankrott.

Natürlich. Solche Festschreibungen wie wohlerworbene Rechte haben einen direkten Effekt. Das macht Änderungen schwerer möglich.

Aus aktuellem Anlass: Sie halten die Nichtunterzeichnung der Gewerbeordnung durch den Bundespräsidenten für in Ordnung. Tritt damit nicht auch eine zweite Gesetzesprüfungs-Stelle auf den Plan?

Dass der Bundespräsident nur das Formale prüfen darf, halte ich deshalb für falsch, weil wir in unserem System mehrere verschiedene Gesetzgebungsverfahren haben. Die Frage, ob etwas formal korrekt beschlossen worden ist, kann ich nicht beantworten, ohne vorher zu wissen, was die formalen Anforderungen für dieses Gesetz sind. Und diese ergeben sich aus dem Inhalt des Gesetzes. Das bedeutet aber nicht, dass dem Bundespräsidenten eine volle Inhaltskontrolle übertragen ist; dann käme es zur Doppelgleisigkeit. So kann es sicher nicht gemeint sein. Der Bundespräsident hat nur zu verweigern, wenn die Verfassungswidrigkeit evident und schwerwiegend ist. Im konkreten Fall habe ich dem Bundespräsidenten gesagt, dass das evident ist. Zu beurteilen, ob es schwerwiegend ist, liege in seinem Ermessen.

Sie hielten es für notwendig und gescheit, dass ein Bundespräsident, wenn auch informell, den Verfassungsgerichtshofspräsidenten konsultiert?

Notwendig ist das sicher nicht. Er hat es wohl deshalb gemacht, damit ihm niemand nachsagen kann, er übergehe den Verfassungsgerichtshof.

Evident ist ein dehnbarer Begriff.

Immer dann, wenn man ehrlich diskutieren kann, ob etwas in Ordnung ist oder nicht, ist etwas nicht evident. Eine rückwirkende Strafbestimmung ist eindeutig verfassungswidrig - das ist evident. Das Problem ist, dass es keinen wirklichen Verfassungsdienst im Parlament gibt; es fehlt eine Art Qualitätssicherung des Gesetzgebungsverfahrens.

Warum gibt es den nicht?

Sie haben wahrscheinlich Angst, dass dort Juristen sitzen, die mühsam erkämpfte Kompromisse infrage stellen könnten.

Karl Korinek wurde am 7. Dezember 1940 in Wien geboren. Nach dem Jusstudium war der Sohn eines Finanzministers Konsulent der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. 1970 habilitierte er an der Universität Salzburg über wirtschaftliche Selbstverwaltung. Bis vor kurzem ging Korinek noch der Lehrtätigkeit nach, unter anderem an der Universität Wien. Parallel startete 1978 seine Karriere beim Verfassungsgerichtshof; 1999 bis 2002 war er Vizepräsident. Seit 2003 steht er dem Höchstgericht als Präsident vor. In Kürze wird Korinek zusätzlich auch Uni-Rat der Universität Salzburg werden.

Korinek ist leidenschaftlicher Opern-Fan. Im vergangenen Jahr wurde er zum Präsidenten des Vereins der Freunde der Wiener Staatsoper gewählt.

Der Grundrechtsschutz

In Österreich ist primär der Verfassungsgerichtshof (VfGH) für den Grundrechtsschutz zuständig. Wer sich durch einen Bescheid oder durch die Anwendung eines Gesetzes in seinen Grundrechten, die im Verfassungsrang stehen, verletzt fühlt, kann sich an den VfGH wenden. Dieser kann Bescheide und auch Gesetze aufheben, wenn er darin eine Grundrechtswidrigkeit sieht.

Über dem VfGH steht in Grundrechtssachen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Er ist das Gericht des Europarats, einer internationalen Organisation, der 47 Staaten (darunter auch alle EU-Mitgliedstaaten) angehören, und soll die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) überwachen. Wer sich in den Rechten dieser Konvention verletzt fühlt, kann sich direkt an den EGMR wenden - allerdings erst, wenn der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft ist. Der EGMR kann die Verletzung eines Menschenrechts freilich nur feststellen, den entsprechenden Rechtsakt aufheben kann er nicht. Dafür ist dann der jeweilige Staat verantwortlich - er muss das EGMR-Urteil befolgen. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) prüft Grundrechte - in Ausübung seiner Kontrolle über die korrekte Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Da die EU bislang keinen eigenen verbindlichen Grundrechtskatalog hatte, konkretisierte der EuGH die Grundrechte über seine Judikatur. Dabei zählt er die EMRK zu einem Teil des gemeinschaftlichen Rechts und nimmt, ohne dass eine Verpflichtung dazu besteht, auf die Rechtsprechung des EGMR Rücksicht. Mit dem Inkrafttreten der europäischen Grundrechtscharta hat die EU nun erstmals einen eigenen verbindlichen Grundrechtskatalog.