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Karl Mahrer: "Ich definiere die ÖVP nicht über eine Farbe"

Von Christian Rösner

Politik

Der neue Landesparteiobmann Karl Mahrer im Interview über die neue Ausrichtung der Stadtpartei.


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Karl Mahrer ist der neue Wiener ÖVP-Chef und folgt damit Gernot Blümel als 19. Landesparteiobmann seit 1945. Der frühere Landespolizeikommandant und nunmehrige ÖVP-Sicherheitssprecher wurde im Zuge von Sitzungen der Parteigremien am vergangenen Wochenende einstimmig gewählt. So wie zuletzt auch Blümel wird Mahrer nicht im Wiener Landtag sitzen, sondern seiner Funktion als Nationalratsabgeordneter treu bleiben. Im Interview mit der "Wiener Zeitung" versichert der 65-jährige Neo-Parteichef, dass er offensiv jedem die Hand reichen wolle, "um wieder gemeinsam auf einen konstruktiven politischen Kurs zu kommen."



"Wiener Zeitung":Mit Sebastian Kurz hat seinerzeit eine starke Verjüngung der ÖVP stattgefunden - auch Gernot Blümel hat die Wiener Landespartei stets als jung und dynamisch präsentiert. Mit Ihnen kommt jetzt wieder ein älteres Semester - um nicht zu sagen: ein Urgestein - an die Spitze der Wiener ÖVP. Ist das ein Zeichen der Rückbesinnung auf alte, noch großkoalitionäre Zeiten?Karl Mahrer: Das kann man so nicht sagen - aber ja, ich bin seit 45 Jahren Mitglied der Volkspartei, habe bei den bunten Vögeln von Erhard Busek mitgearbeitet, war begeisterter Europa-Umsteiger wie Alois Mock, war sehr angetan von Wolfgang Schüssel, der viele Reformen umgesetzt hat, und habe in den vergangenen Jahren Sebastian Kurz und Gernot Blümel aktiv begleiten dürfen. Ich habe also viele sehr wichtige Abschnitte der ÖVP miterlebt. Daher sehe und kenne ich die Vielfalt der Volkspartei, und in dieser Vielfalt entwickelt sich diese Partei auch ständig weiter. Das einzige, was gleich bleiben soll, sind die Themen für deren Umsetzung uns die Menschen gewählt haben. Und das sehe ich auch als meine Aufgabe, die ich konsequent und mit großem Enthusiasmus verfolgen werde. Mit dem Alter hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.

Von welchen Themen sprechen Sie hier genau?

Ich spreche zum Beispiel von der Unterstützung und der Förderung von leistungswilligen Menschen. Von der Entwicklung und der Stärkung der Wirtschaft unter gleichzeitigem sozialen Ausgleich: Besonders in den vergangenen Jahren haben wir uns sehr um die kleinen und mittleren Einkommen und besonders um Familien gekümmert. Und ich spreche von den Themen Sicherheit, Asyl und Migration sowie auch von der Bekämpfung der Fluchtursachen: Das heißt, dass wir damit beginnen, in den Herkunftsländern dafür zu sorgen, Lebensverhältnisse zu schaffen, die das Wort lebenswert verdienen.

Da hört man noch stark den Sicherheitssprecher der Bundes-ÖVP heraus - welche Themenschwerpunkte wollen Sie in Wien setzen?

Das sind die Themen, wo wir bundesweit Verantwortung tragen, ja. In Wien, wo das noch nicht der Fall ist, wollen wir - wenn wir schon beim Thema sind - zum Beispiel dazu beitragen, dass es zu einer gelungeneren Integrationspolitik kommt. Das heißt, es geht uns nicht nur um die Forderung nach Integration, sondern auch um die Forderung, dass sich die Menschen an unsere Werte einer liberalen Demokratie und an unsere Gesetze halten.

Wie meinen Sie das konkret?

Ich nenne hier als Beispiel die Gleichstellung von Mann und Frau: Wenn ein Vater mit seiner Familie hier bei uns mit seinen Kindern lebt und der Lehrerin nicht die Hand gibt, weil sie eine Frau ist, oder wenn er seiner eigenen Frau keine Weiterbildung erlaubt, dann muss er wissen, dass für ihn mittelfristig Österreich nicht seine neue Heimat werden kann. Die Staatsbürgerschaft soll das Ende eines gelungenen Integrationsprozesses sein und nicht nur eine Anregung dafür.

Das klingt aber noch immer nicht sehr Wien-spezifisch. Für welche Stadtthemen soll die Wiener ÖVP unter Ihrer Führung noch stehen?

Ganz allgemein möchte ich die Volkspartei in Wien in der konstruktiven Oppositionspolitik weiterentwickeln. Als Opposition müssen wir kontrollieren, Kritik üben - was in einer Demokratie wichtig und notwendig ist. Aber wir sollten dabei immer unseren Willen zur konstruktiven Mitgestaltung unter Beweis stellen.

Sie gelten als jemand, der mit der Wiener SPÖ wesentlich besser kann als Ihr Vorgänger - ist Ihre Bestellung auf längere Sicht gesehen ein Hinweis auf die Rückkehr einer großen Koalition in Wien?

Ich würde sagen, diese Frage stellt sich im Jahr 2021 nicht. Wahr ist aber, dass ich zu allen im Landtag vertretenen Parteien aufgrund meiner Herkunft und meiner Geschichte sehr gute Beziehungen pflege.

Werden sie aus Türkis wieder Schwarz machen?

Ich definiere die Volkspartei nicht über eine Farbe, ich definiere sie über die Themen - wie gesagt, wir wollen den Menschen das geben, wofür sie uns gewählt haben. Denn sie haben uns nicht nur wegen der sympathischen Spitzenkandidaten gewählt.

Was werden Sie dann anders machen als Gernot Blümel, wie wird Ihre Handschrift aussehen?

Ich glaube, das habe ich jetzt schon sehr deutlich gesagt - meine Handschrift wird eine konstruktive Oppositionspolitik sein. Und ich werde die politischen Mitbewerber nie unter der Gürtellinie angreifen, werde ihnen immer auf Augenhöhe begegnen und stets mit offener und ausgestreckter Hand auf sie zugehen. Ich meine das wirklich so. Und die inhaltlichen, organisatorischen und strukturellen Detailfragen sind Gegenstand der Gespräche, die ich noch mit unseren Bezirksorganisationen führen möchte. Denn ich bin zwar schon ein Mensch, der gerne Entscheidungen trifft, aber immer erst nach vielen Gesprächen und in einem gemeinsamen Prozess mit dem Team. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich Detailfragen vor dem Landesparteitag nicht nach außen kommunizieren möchte - aus Respekt gegenüber allen Beteiligten.

Trotzdem stellt sich die Frage, wer von den Türkisen noch bleibt - Blümel ist weg, auch Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner geht - wird Klubobmann Markus Wölbitsch der Nächste sein?

Ich bin in einem sehr guten Austausch mit Markus Wölbitsch, und Bernadette Arnoldner hatte schon seit Monaten geplant, in die Privatwirtschaft zu wechseln. Wer ihr folgt, wird ebenfalls zeitnah geklärt werden, aber auch hier bitte um Verständnis, dass ich dazu noch nichts sagen kann.

Viele Menschen haben es unverantwortlich gefunden, dass gerade in einem Lockdown, in einer Krise, ÖVP-Politiker mit viel Verantwortung gegenüber der Bevölkerung über Nacht reihenweise das Handtuch geworfen haben. Wie denken Sie eigentlich darüber?

Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen, nachdem Teile der Opposition seit Monaten das Schlagwort "Kurz muss weg" geprägt beziehungsweise die Bundesregierung zum Rücktritt aufgefordert haben. Hier stellt sich für mich eigentlich eher die Frage, wie verantwortungsvoll es von der Opposition ist, in Pandemiezeiten so mit der Regierung umzugehen. Aber die allerwichtigste Frage, die sich für mich stellt, ist: Wie weit sind wir in der politischen Kultur gekommen, wenn wir nur noch über Anzeigen und gegenseitige Vorwürfe agieren?

Hier verweise ich auf den bereits im Juni aus der Politik ausgeschiedenen Sepp Schellhorn von den Neos, der seinen Schritt unter anderem mit den Worten "Da gibt es eine Überdosis Gift" begründet hat. Ich setze noch eins drauf und sage: Alle Politiker - unabhängig von der Partei - wären gut beraten, in dieser aggressiven Atmosphäre, wo es Hass und Hetze gibt, einen Gang runterzuschalten und sich auf Sacharbeit zu konzentrieren. Genau das will ich als kleinen Beitrag in Wien mit und für die Volkspartei machen - und alle dazu aufrufen: Machen wir doch alle wieder ein bisschen mehr Politik mit Herz.

Aber das hat ja bisher mit den Grünen in der Bundesregierung nicht so gut funktioniert.

Das stimmt doch nicht. Gerade im Sicherheitsbereich sind die Unterschiede unserer Parteien sehr deutlich - trotzdem haben wir bisher bestens zusammengearbeitet. Denn man kann auch bei unterschiedlichsten Meinungen zu einer gemeinsamen Lösung kommen, wenn man jeweils die Welt des anderen akzeptiert und erkennt, dass die eigene Wahrheit manchmal auch einer Ergänzung durch andere bedarf. Das ist zwar unendlich kompliziert und unendlich zeitintensiv, aber es lohnt sich am Ende immer - wie man das zum Beispiel an der BVT-Reform sehen konnte.