SPÖ, Opposition, Verleger, Liga für Menschenrechte und Journalisten sauer.
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Wien. Damit hat die Justizministerin wohl nicht gerechnet. Trotz Beatrix Karls Beschwichtigungs- und Erklärungsversuchen ist der Widerstand gegen die von ihr geplante Novelle der Strafprozessordnung am Freitag noch größer geworden. Wie berichtet, soll das Widerspruchsrecht von Berufsgeheimnis-Trägern - Journalisten, Rechtsanwälten, Ärzten, Notaren - gegen die Beschlagnahmung von Akten bei Hausdurchsuchungen gestrichen werden, wenn der Betreffende als Beschuldigter geführt wird. Zwar soll derjenige die Möglichkeit zur raschen Akteneinsicht bekommen, allerdings nur gemeinsam mit einem Staatsanwalt und bevor ein Richter entscheidet, ob die Unterlagen überhaupt verwendet werden dürfen.
Der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Heinz Mayer, hält dies - zumindest im Fall von Journalisten - für verfassungswidrig: Das Redaktionsgeheimnis sei durch die Menschenrechtskonvention geschützt, durch die geplante Regelung würde es aufgebrochen. Aber auch bei den anderen betroffenen Berufsgruppen sei die Verfassungskonformität der geplanten Regelung zu hinterfragen, sagt der Verfassungsjurist zur "Wiener Zeitung". Das Argument von Karl, dass auch in anderen Fällen das Vergessensgebot - wenn sich beispielsweise herausstellt, dass jemand ein Entschlagungsrecht hat, darf der Staatsanwalt eine bereits getätigte Aussage nicht verwenden, auch wenn er sie schon kennt - wirke, lässt Mayer nicht gelten. Nur weil eine Aussage nicht zum Akt genommen werden darf, halte nichts den Staatsanwalt davon ab, trotzdem in diese Richtung zu ermitteln. Mit dieser Regelung werde "alle Geheimhaltungspflicht kaputtgemacht", sagte Mayer und stieß damit ins selbe Horn wie zuvor der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs.
Deutliche Worte fand auch Barbara Helige, Chefin der Liga für Menschenrechte. Generell "pflegen die staatlichen Funktionäre einen verweigernden Umgang mit Transparenz". Dadurch sei das Vertrauen in den Rechtsstaat massiv beschädigt - hier brauche es eine "Kehrtwende", sagte sie. Die ehemalige Vorsitzende der Richtervereinigung kritisierte den Entwurf zur StPO-Reform als "Husch-Pfusch-Aktion in einem äußerst sensiblen Bereich".
Beunruhigend sei auch, dass man sich in vielen Fällen "nicht einmal wundert", sagte Helige und forderte mehr Engagement von der Zivilgesellschaft ein. Mehr als nur gewundert hat sich am Freitag die Journalistengewerkschaft: Präsident Franz Bauer sprach im Ö1-"Mittagsjournal" von "Zensur" und ungarischen Verhältnissen. Bauer geht davon aus, dass die Novelle im Parlament ohnehin zurückgenommen wird. Für den Fall, dass das nicht passiert, rief der Präsident des Österreichischen Journalistenclubs, Fred Turnheim, alle Presseorganisationen dazu auf, "gemeinsam auf die Barrikaden" zu steigen. Auch der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) sah einen "systematischen Angriff" auf die Pressefreiheit. Der VÖZ-Vorstand appellierte an die Regierung, den Entwurf "nochmals zu überdenken".
Änderung weit über Stellungnahme hinaus
Dessen Genese wird unterdessen immer mysteriöser. Wie berichtet, beruft sich Karl darauf, dass die Änderungen des § 112 auf eine Stellungnahme des Oberlandesgerichts Graz im Begutachtungsverfahren zurückzuführen sind. Die Einarbeitung von Stellungnahmen sei ein ganz normaler Vorgang, hielt die Ministerin dem Vorwurf entgegen, den Entwurf an der Begutachtung vorbeigeschmuggelt zu haben.
Zwischen der zweiseitigen Stellungnahme aus Graz und dem Gesetzesentwurf besteht allerdings kaum ein direkter Zusammenhang. "Es gibt keinen", sagt auch OLG-Sprecher Ulrich Leitner zur "Wiener Zeitung". Absatz 1, also jener, wonach das Widerspruchsrecht nur für Nicht-Beschuldigte gilt, sei auf die Stellungnahme seines Hauses zurückzuführen, Absätze 2 und 3 seien einfach so hinzugekommen, meint Leitner. Das bestätigt auch Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek: Die OLG-Stellungnahme sei lediglich als Anlass genommen worden, sich das gesamte Widerspruchsrecht anzuschauen und neu zu regeln, meint er. Im Klartext heißt das aber, dass die in Absatz 2 geregelte Akteneinsicht durch den Staatsanwalt - eben genau jener Punkt, der laut Heinz Mayer verfassungswidrig ist - vom Justizministerium eigenmächtig und ohne jede Veranlassung durch eine Stellungnahme eingeführt wurde.
Entwurf wird laut SPÖ sicher geändert
Dass der Entwurf so bleibt, wie er jetzt vorliegt, dürfte ausgeschlossen sein. So erklärte SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim, dass man zumindest jenen Punkt ändern wolle, wonach Berufsgeheimnis-Träger kein Widerspruchsrecht gegen die Beschlagnahmung von Akten haben, wenn gegen sie ermittelt wird - also genau jener Absatz, mit dem das OLG Graz "zufrieden" ist.
Dem Vernehmen nach kann sich Karl mit einer entsprechenden Änderung abfinden. Ob es vor dem Justizausschuss am Dienstag noch weitere Änderungen gibt, wird sich am Montag zeigen. Dann will Karl noch einmal mit der SPÖ über den Entwurf reden - dem kann auch Verteidigungsminister Norbert Darabos, der die Regierungsvorlage abgesegnet hatte, etwas abgewinnen. Bei einem Fünf-Parteien-Gespräch mit Experten will Karl mehrere Varianten des Entwurfs vorlegen. Die Opposition rechnete am Freitag jedenfalls mit Änderungen.