Ortstafel-Streit: Lösung auf Basis des Kompromisses von 2006 rasch möglich. | Aufschnüren des Gesamtpaketes wäre "gefährlich". | "Wiener Zeitung":Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider beharrt in Sachen zweisprachige Ortstafeln auf eine Muttersprachenerhebung. Ist eine solche notwendig?
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Karner: Eine Muttersprachenerhebung als notwendige Bedingung für die Umsetzung der Bestimmungen des Artikel 7 des Staatsvertrages lässt sich aus diesem nicht ableiten. Die Ergebnisse der Volkszählungen seit 1951 geben genügend statistisches Material.
Eine solche Erhebung wird von den anderen Parteien und Slowenenverbänden abgelehnt. Wie könnte eine Lösung aussehen?
Die im Vorjahr diskutierten, als Gesetzesentwurf ausgesandten und im Parlament eingebrachten Vorschläge sahen jeweils den Bezug auf Volkszählungsergebnisse der letzten zwei bis vier Volkszählungen vor. Dies ergab insgesamt 158 Ortschaften, in denen zweisprachige topographische Aufschriften anzubringen sind, in einem längeren Prozess von etwa vier bis fünf Jahren, begleitet von einer Informationsarbeit, einem umfangreichen Maßnahmenpaket für beide Volksgruppen, etwa Kultur-Förderungen für Organisationen und Vereine beider Volksgruppen und einer Öffnungsklausel. Damit waren alle Kärntner Parteien, alle Volksgruppenvertreter, alle Vertreter der Kärntner Heimatverbände und auch der Kärntner Landeshauptmann einverstanden. Die Reduktion auf 142 Ortschaften für ein Verfassungsgesetz im Juli 2006 ergab sich auf Basis dieses Vorschlages. Dieser historische Konsens ist heranzuziehen.
Die letzte Ortstafel-Lösung scheiterte zuletzt im Nationalrat am Nein der SPÖ.
Die Bundes-SPÖ wollte im Juli 2006, so knapp vor den Wahlen, der Regierung Schüssel offensichtlich keinen Erfolg mehr geben, entgegen den Beschlüssen der eigenen Kärntner Landes-SPÖ. Im Parlament wollten ÖVP, Grüne und BZÖ das Verfassungsgesetz.
Die SPÖ hat deshalb nicht zugestimmt, weil Marjan Sturm vom Zentralverband slowenischer Organisationen den Kompromiss in letzter Sekunde abgelehnt hat.
Nein. Sturm hat von Anfang an den Kompromiss mitverhandelt und zählt gemeinsam mit Feldner vom Heimatdienst, Sadovnik von der Gemeinschaft der Slowenen und Stritzl von der Plattform Kärnten zu den Stützen der Konsens-Gruppe. Es hätte in den letzten Stunden vor der Parlamentssitzung lediglich klargestellt werden sollen, dass sich die Minderheitenregelungen natürlich nur auf das im Staatsvertrag genannte Südkärntner Gebiet beziehen kann. Es ist doch völlig abwegig, im Mölltal oder in Friesach zweisprachige Aufschriften aufstellen zu wollen. Mit etwas gutem Willen seitens der Bundes-SPÖ hätte man dies klarstellen können.
Das "Karner-Papier" - insgesamt 158 zweisprachige Ortstafeln - wurde zuletzt von Haider abgelehnt. Damit stünden einige Tafeln "auf der grünen Wiesn". Setzen Sie noch darauf, dass Ihr Papier verwirklicht wird?
Ja, denn etwas Ausgewogeneres wird man angesichts der vielen Interessenslagen kaum finden. Der auch von Haider im Juli 2006 unterstützte Verfassungsgesetz-Antrag mit 142 Ortschaften war die 1:1-Umsetzung unseres Konsenses. Die Differenz der 16 Ortschaften ergab sich lediglich aus der Heranziehung von nur noch zwei Volkszählungen, einer Umkehrung der Minderheitenprozentgrenzen in Gemeinden - jetzt zehn Prozent - und Ortschaften - jetzt 15 Prozent - und einem Spruch des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich einzelner Orte. Dies führte dann eben zu 142 Ortschaften, wobei in 77 Orten die Tafeln ja schon stehen. Tatsächlich scheinen in der Liste der 158 Ortschaften ganz kleine Orte von 1977 auf, die es in natura heute nicht mehr gibt. Dort wäre auch keine Aufschrift angebracht worden. Das war uns bewusst.
Falls Bundeskanzler Alfred Gusenbauer eine "Lösung von oben" verordnet. Wäre ein zweiter Ortstafelsturm zu erwarten?
Eine Lösung der Frage ist nur politisch und im Konsensweg unter Einbindung aller relevanten Gruppen möglich. Eine Nacht- und Nebelaktion kann ich mir nicht vorstellen. Sie würde auch das Klima im Land schwer schädigen.
Was müsste getan werden, um eine Lösung in diesem jahrzehntelangen Streit zu erreichen?
Alle Beteiligten wären gut beraten, den im Juli des Vorjahres erzielten Konsens umzusetzen. Er hatte die breiteste Basis und würde auch von der Bevölkerung akzeptiert werden. Der Ball liegt bei der Bundesregierung und beim Landeshauptmann. Mit einigem guten Willen müsste dies auf der Basis der 2006 ausverhandelten Lösung schnell möglich sein. Ein Aufschnüren des Gesamtpaketes wird zu keinem Ergebnis führen. Ich will nicht hoffen, dass dies Einzelne auf beiden Seiten wollen. Es wäre gefährlich.
Univ. Prof. Dr. Stefan Karner, Universität Graz, verhandelte in den letzten Jahren im Auftrag von Bundeskanzler Schüssel mit den Slowenen-Organisationen und Kärntner Heimatverbänden jenen Konsens, der die Basis der Gesetzesvorlagen 2006 bildete.