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"Kärnten hat sein Lachen wieder"

Von Walter Hämmerle

Politik

Die Seele des Menschen liegt in seiner Sprache: Lojze Wieser über Kärnten, seine Zweisprachigkeit und den Wahlkampf.


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In Kärnten wurde einst erbittert über die eigene Identität gestritten. Der Konflikt der deutschsprachigen Mehrheit mit der slowenischen Minderheit trug den "Abwehrkampf" gegen angebliche Besitzansprüche bis ins 21. Jahrhundert. Wenn am 5. März Kärnten einen neuen Landtag wählt, ist von diesen Kämpfen keine Rede mehr. Die "Wiener Zeitung" sprach mit dem slowenischsprachigen Kärntner Verleger und Autor Lojze Wieser über die Gegenwart im Schatten einer einst übermächtigen Vergangenheit.

"Wiener Zeitung": Die Kärntner behaupten von ihrem Bundesland gerne, es sei "lei ans", also einzigartig. Ist das tatsächlich so?

Lojze Wieser: Wenn man sich die Geografie anschaut, dann sieht man, dass Kärnten über das Mießtal ins Slowenische und via Kanaltal ins Friaulisch-Italienische ausufert. So gesehen kann man tatsächlich sagen: Kärnten ist "lei ans".

Sie haben einmal geschrieben, dass "die Brüche und die über Jahrhunderte währenden tektonischen Erschütterungen den Eindruck hinterlassen haben, dass dieses Land vom Herrgott besonders gestraft sei". Hat die Geschichte tatsächlich eine solche Wucht in Kärnten entfaltet und wirken die Verwundungen bis heute weiter?

Der Satz ist eine Reflexion darüber, dass über ein Jahrhundert lang behauptet wurde, neben Kärnten würde nichts anderes existieren. Je mehr es dann aber gelungen ist, den Blick über die Berggipfel hinaus in andere Regionen und Täler zu richten, desto deutlicher konnte man erkennen, dass es dort, egal, ob es sich um Deutsch im Elsass oder im Sudetenland, Gälisch in Irland oder Italienisch in Istrien handelt, die gleichen Probleme und Ängste gibt. Wenn man sieht, dass andere die gleichen oder zumindest ähnliche Sorgen haben, wird dadurch auch die Last auf den eigenen Schultern leichter. Genau das ist in Kärnten in den letzten Jahren passiert.

Seit den 1990er Jahren und dem Aufstieg der FPÖ unter Jörg Haider hat das Land für österreichweite Schlagzeilen gesorgt. Damit ist es seit Peter Kaiser vorbei. Aus Kärnten hört man heute in Wien genauso viel oder wenig wie aus Innsbruck, Salzburg oder Graz.

Dass die Probleme, die aus Kärnten so lange auf die Bundespolitik übergeschwappt sind, kein Thema mehr sind, ist ein gutes Zeichen. Damit ist hoffentlich zu Grabe getragen worden, was mehr als hundert Jahre als Absurdum durch die Weltgeschichte getragen wurde: das Hervorstreichen immer nur einer Seite der eigenen Seele. Das war fast wie bei den Janitscharen: Die wurden als katholische Kinder von den Osmanen gefangen und zu Kriegern ausgebildet und waren dann die schärfsten Gegner des Katholischen und die eifrigsten Verteidiger des Osmanischen. In Kärnten, wo fast jeder und jede eine slowenischsprachige Großmutter hatte, war das ähnlich: Man hat die Oma und damit die eigene Vergangenheit verleugnet, weil man päpstlicher als der Papst sein wollte.

Über welche Eigenschaften muss ein Politiker, eine Politikerin Ihrer Ansicht nach verfügen, um in Kärnten mehrheitsfähig zu sein?

Er oder sie muss verstehen, wo den Menschen der Schuh drückt, was Mangel und Armut bedeuten; er sollte wissen, dass kein Land isoliert in der Welt steht; er muss mit Sprache umgehen können und sollte, zumindest kursorisch, eine weitere Sprache, idealerweise eine der Nachbarn beherrschen. Und im Auftreten sollte er nicht die Macht vor sich her tragen, sondern das Gemeinsame.

Wie passen Person und Persönlichkeit Jörg Haiders, der 2008 gestorben ist, in dieses Anforderungsprofil?

Wir wissen aus anderen Bereichen, dass es ein schmaler Grat ist, der die Wirklichkeit von Blendung trennt und man leicht vom einen ins andere rutscht. Demagogen haben zu allen Zeiten die Fähigkeit besessen, die Widersprüche ihrer Zeit und Gesellschaft zu treffen, nur geben sie die falschen Antworten. Das ist auch beim ehemaligen Bärentaler oft, zu oft der Fall gewesen. Haider hat mit seiner Sprechkunst, der viele verfallen sind, auch den Chauvinismus im Land befördert. Und er hat als Erster in Europa die Verachtung gegenüber Menschen, die fliehen und heimatlos werden, zum Programm gemacht.

Wenn man sich heute im Land umschaut, spürt man als Außenstehender nur noch wenig von der Last der Geschichte und den alten Kulturkämpfen. Sind diese Themen in den Köpfen der Jungen noch präsent?

Richtig ist: Im Vergleich zu vor 50 Jahren ist Kärnten heute ein anderes, freieres Land, es hat sein Lachen wiedergefunden und die Angst abgeschüttelt. Der Rucksack, eine Feindschaft gegen die anderen tragen zu müssen, wurde endlich abgelegt. Zurückgeblieben ist nur ein Geräusch des Vergangenen, ein Knirschen.

Was fehlt?

Die Lösung der Ortstafelfrage hat zwar nicht allen ihre zweisprachige Bezeichnung zurückgegeben, aber ein großer Schritt ist geschafft. Seitdem sind gut 30 zweisprachige Tafeln dazugekommen, damit stehen jetzt rund 200 von insgesamt etwa 800. Das ist eine gute Bilanz. Ich würde mir aber wünschen, dass die Idee der Zweisprachigkeit noch viel weitere Kreise zieht, etwa dass die Nachrichten im TV in der jeweils anderen Sprache untertitelt werden oder auch Wichtiges im Teletext und den Zeitungen auch in den Sprachen der Hergekommenen aus nah und fern übersetzt wird. Das würde die nationale Frage in eine demokratische Frage umwandeln, weil das Recht auf Sprache nicht national, sondern gesellschaftspolitisch, als gemeinsame Grundlage des demokratischen Beisammenseins sichtbar gemacht würde.

Der Wahlkampf war, sieht man von einem Posting der FPÖ-Jugend ab, das sogar von der eigenen Partei kritisiert wurde, frei von allen Debatten über Identität und Zweisprachigkeit?

Ja, und das halte ich für klug. Diese Themen sind zur Normalität geworden. Ich finde es nur schade, dass keine einzige Partei zweisprachig wirbt, allenfalls die Grünen machen das kleindosiert. Alle anderen Sprachen fehlen überhaupt.

Wie groß ist die Gefahr, dass durch die Normalisierung das Augenmerk für die Zweisprachigkeit verloren geht - und dadurch der Rolle und Stellung des Slowenischen in Kärnten langfristig schadet?

Das ist tatsächlich eine heikle Frage. Wir wissen heute, dass es fast keinen Haus- und Flurnamen gibt, der nicht auf die eine oder andere Art im Slowenischen wurzelt. Heute betonen Gemeinden, die noch vor Jahrzehnten dagegen demonstriert haben, den Wert der Zweisprachigkeit. Was ich sagen will: Es hat sich enorm viel geändert. Trotzdem werden wir für die Zukunft neue Wege finden müssen. Es muss gelingen, einen Stolz zu entwickeln, dass man neben dem vorherrschenden Deutschen auch gerne auf die Sprache der Eltern und Großeltern stolz sein kann und sie - wie selbstverständlich - im Alltag lebendig hält. Lieder und Gedichte in die andere Sprache zu bringen, kann dabei eine zentrale Rolle spielen. Im Dorf meines Bruders ist die eine Hälfte für diese neuen Wege, die andere dagegen, wenngleich nicht mehr so stur wie früher. Wenn die aber einen Schnaps getrunken haben und zusammensitzen, dann singen ausgerechnet die Skeptischen die schönsten alten slowenischen Volkslieder, die alle anderen längst vergessen haben. Daran sieht man, wie tief verwurzelt das Slowenische hier ist und dass die Seele des Menschen tatsächlich in seiner Sprache liegt.