Gute Chance auf historische Einigung. | Ostermayer erteilt dem Wunsch nach Öffnungsklausel eine Absage. | Wien. Gerhard Dörfler könnte als der Kärntner Landeshauptmann in die Geschichte eingehen, der die leidige Ortstafelfrage gelöst hat. Die Chancen dazu stehen derzeit jedenfalls nicht schlecht. Allerdings plagen den Landeshauptmann leise Zweifel. | Wiener Zeitung-Interview mit Ludwig Adamovich über die Verhandlungen
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Am Freitag treffen sich die Verhandler zur dritten und wahrscheinlich wegweisenden Gesprächsrunde. Eine endgültige Einigung wird es zwar am Freitag noch nicht geben, Dörfler zeigte sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" aber zuversichtlich, "dass wir am Freitag eine Rohfassung einer Lösung haben werden". Die Zahl der zweisprachigen Ortstafeln dürfte zwischen 160 und 170 liegen.
"Nach einigen schwierigen Kurven sind wir auf der Zielgeraden angelangt", so Dörfler. Er sei zuversichtlich, dass man zu einer vernünftigen, dauerhaften Lösung komme - weil auch die Volksgruppe großteils "positiv dabei" sei. Hier ortet Dörfler allerdings einen Grund für Skepsis: Teile des Rats der Kärntner Slowenen - eine der drei großen Volksgruppenorganisationen - sei an einer finalen Lösung offensichtlich nicht interessiert, vor allem was die Öffnungsklausel betrifft.
Eine Öffnungsklausel würde ermöglichen, zu einem späteren Zeitpunkt weitere zweisprachige Ortstafeln aufzustellen. Für den Kärntner Rechtsanwalt und langjährigen Volksgruppenaktivisten Rudolf Vouk ist das ein Muss. "Das wäre unsinnig", so Vouk, "man kann nicht in Fragen der Minderheiten eine Weiterentwicklung verbieten."
Karten auf den Tisch
Für die Kärntner Freiheitlichen (FPK) kommt eine Öffnungsklausel allerdings nicht in Frage. "Das ist so nicht zu akzeptieren", so Dörfler, schließlich habe sich seine Partei auch bewegt und verzichte auf eine Minderheitenfeststellung. Es gebe eine Verpflichtung aller, eine Lösung in den Vordergrund zu stellen und sich keine Hintertüre offenzuhalten. "Wer eine Lösung will, muss am 1. April seine Karten auf den Tisch legen", so Dörfler.
Auch Staatssekretär Josef Ostermayer, der die Verhandlungen für den Bundeskanzler führt, hat am Dienstag einmal mehr die Leitlinien betont, an denen sich eine Lösung orientiere: "Sie soll im Verfassungsrang im Nationalrat beschlossen werden, keine Öffnungsklausel enthalten und dauerhaft sein."
Aber auch einer Volksbefragung, wie von der FPK immer wieder ins Spiel gebracht, erteilte Ostermayer eine Absage. "Eine Mehrheit hat nicht das Recht, über eine Minderheit abzustimmen." Letztlich würde diese Entscheidung aber auf Länderebene getroffen.
Bezüglich der Erwartungen an die Verhandlungen am Freitag zeigte sich der Staatssekretär "sehr optimistisch". Jetzt gehe es darum, den Weg des Konsenses weiterzugehen und in Ruhe und konstruktiv zu verhandeln. Sollte am Freitag tatsächlich ein Schlussstrich unter die seit 1955 ungeklärte Ortstafelfrage gezogen werden, werde man den Slowenenvertretern die nötige Zeit einräumen, die Einigung in ihren jeweiligen Gremien zu besprechen, bevor man das Ergebnis verkünde, so Ostermayer.
Eine Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Dienstag den Verhandlern abgenommen: Demnach müssen in zwölf weiteren Orten in den Bezirken Völkermarkt und Villach Land zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden. VfGH-Präsident Gerhard Holzinger zeigte sich aber erfreut über die aktuellen Verhandlungen und hofft auf eine politische Lösung mit einer ordentlichen Rechtsvorschrift, über die dann nicht dauernd vor dem VfGH gestritten werden müsse.
Kosovarisches Niveau
Landeshauptmann Dörfler kündigte an, das Erkenntnis umzusetzen. Lediglich bei drei Orten mit sehr geringem Volksgruppenanteil werde er prüfen lassen, wie mit dem VfGH-Urteil umzugehen sei. Dörfler betonte, dass er sich gewünscht hätte, der VfGH hätte mit seiner Entscheidung die Verhandlungen abgewartet.
Für Rudolf Vouk ist der Entscheid "ein wichtiges Präjudiz", um das man nicht herumkommen werde. Er hoffe, dass man in Österreich in Sachen Akzeptanz von VfGH-Entscheidungen "wenigstens das Niveau des Kosovo" habe, denn sogar dort würden höchstgerichtliche Entscheidungen von allen akzeptiert.
Chronologie der Ortstafelfrage
1955: Im Staatsvertrag sichert Österreich den Slowenen und Kroaten in Kärnten, Burgenland und der Steiermark besondere Minderheitenrechte wie zweisprachige Ortstafeln in mehrsprachigen Gebieten zu, ohne diese genauer zu definieren.
1972: Die Regierung Kreisky beschließt die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln in 205 Kärntner Ortschaften mit zumindest 20 Prozent Slowenen-Anteil. Der Protest dagegen führt zum Ortstafelsturm.
1976: Im Volksgruppengesetz wird ein Slowenen-Anteil von 25 Prozent als Voraussetzung für die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln festgelegt.
1977: Die Topographieverordnung sieht 91 zweisprachige Ortstafeln vor. Sie werden aber nie vollständig errichtet.
2001: Rudolf Vouk bekämpft ein Strafmandat, das ihm im einsprachig beschilderten Ort St. Kanzian ausgestellt wurde, vor dem VfGH. Er argumentiert, die Ortstafel sei nicht gültig, daher gelte Tempo 50 nicht. Der VfGH bezeichnet die 25-Prozent-Quote als zu hoch und hebt Teile des Volksgruppengesetzes und der Topographieverordnung auf.
2011: Nach zahlreichen gescheiterten Vorstößen beginnen Anfang Februar neue Verhandlungen zwischen Bund, Land und Vertretern der Volksgruppe.