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Kärntner Revolution

Von Walter Hämmerle

Analysen

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Sicher, der Hausverstand ist in Angelegenheiten der hohen Politik, zumal mit wirtschaftlichem Bezug, nicht zwingend der geeignete Maßstab. Nicht immer, aber manchmal eben doch.

Der quasi privaten Vergabe eines 6-Millionen-Euro-Honorars an einen Kärntner Steuerberater für ein sechsseitiges Gutachten zum Verkaufsprozess der Hypo Alpe Adria durch den damaligen Landeshauptmann Jörg Haider und seinen ÖVP-Koalitionspartner Josef Martinz haftet so offensichtlich ein Hautgout des Unlauteren an, dass es geradezu zum Himmel stinkt. Vor allem, wenn man mitbedenkt, dass das ursprünglich in Aussicht gestellte Honorar 12 Millionen Euro betragen sollte und der Empfänger im Nebenjob auch noch als persönlicher Steuerbrater Martinz’ fungiert.

Der - vorläufige - Rücktritt Martinz’ ist ein weiterer kleiner Erfolg für eine neue politische Kultur in Österreich, für Kärntner Verhältnisse kommt dieser Schritt sogar einer veritablen Kulturrevolution gleich. Nur zur Erinnerung: Uwe Scheuch, Obmann der größten Landespartei und Vize-Landeshauptmann, wurde bekanntlich in erster Instanz schuldig gesprochen und ist immer noch im Amt, wenn auch ohne große Würde. Anzunehmen ist, dass bei Martinz nicht zuletzt Druck aus Wien zu diesem Schritt geführt hat. Die Kärntner Zustände waren bisher stets eine offene Flanke für Parteiobmann Michael Spindelegger, wenn dieser den verunsicherten ÖVP-Wählern null Toleranz gegenüber Korruption versprach.

Ein Rücktritt macht jedoch noch keine neue Landespolitik. Martinz gesteht ein - man verzeihe den Vergleich -, eine Schlacht verloren zu haben, den Krieg, so glaubt er, könne er aber nach wie vor für sich entscheiden. Das ist, man muss es so offen sagen, eine drastische Verkennung der realen Situation. Der Eindruck, der durch diese Affäre entstanden ist, bedingt bereits einen Rücktritt. Politiker müssen strengere Verhaltensregeln akzeptieren. Das mag im Einzelfall ungerecht erscheinen, in Summe ergibt dies jedoch den Stoff, auf dem eine politische Kultur aufbaut, die diesen Namen verdient.

Davon ist Österreich als Ganzes weit entfernt, Kärnten allerdings noch weiter. Die Verbissenheit, mit der im südlichsten Bundesland um die Macht gekämpft wird, mag in der fragilen Machtbalance ihre tiefere Ursache haben. Nicht nur, aber vor allem hier sind Siege und Niederlagen ein Nullsummenspiel nach dem Motto "er oder ich". Dass ein abstraktes Größeres zum Gewinner wird, wenn politische Benimmregeln nicht nur dem Buchstaben des Gesetzes nach eingehalten werden, hat sich noch nicht herumgesprochen. Dieses übergeordnete Wir heißt Demokratie.

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