Zum Hauptinhalt springen

Karpfenstreicheln

Von Erhard Fürst

Gastkommentare
Erhard Fürst war Leiter der Abteilung Industrie- und Wirtschaftspolitik in der Industriellenvereinigung.

Warum im Wahlkampf eine europapolitische Diskussion wichtig gewesen wäre.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In einem alten Bruno-Kreisky-Witz hat der Kanzler einen lebenden Karpfen auf seinem Schoß, den er liebevoll streichelte. Gefragt, warum er dies täte, antwortete Kreisky: "So wird er auch hin." Ähnlich verhält sich die FPÖ in ihrer europapolitischen Positionierung.

Spitzenvertreter der Freiheitlichen präsentieren sich als glühende Europäer. Sie nehmen zur Kenntnis, dass die überwiegende Mehrheit der Österreicher die EU-Mitgliedschaft nicht in Zweifel zieht, und verzichten daher auf ihre Forderung nach einer Volksbefragung zum EU-Austritt. Im Gegenteil, sie sehen Österreichs Zukunft in der EU, allerdings in einer anderen als der heutigen. Diese "bessere" EU ähnelt verblüffend dem Uraltkonzept von Charles de Gaulles "Europa der Vaterländer".

Statt weiterer Integration sollen Kompetenzen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips an die Mitgliedsländer zurückgegeben werden. Wesentliche Beschlüsse des Europäischen Rats haben einstimmig zu erfolgen, das heißt: Jedes Mitgliedsland hat ein Vetorecht. So wird die "Souveränität Österreichs" gesichert. Aber nicht nur Österreichs Souveränität ist wieder herzustellen, sondern auch die Souveränität der Bürger im Sinne einer Stärkung der direkten Demokratie. Gerade in EU-Fragen, wie etwa Vertragsänderungen, Aufnahme neuer Mitglieder in die EU oder die Eurozone, Flüchtlings- und Migrationspolitik, soll der Bürger durch Volksabstimmungen das letzte Wort haben.

Weiters will die FPÖ Österreichs nationalstaatliche Volkswirtschaft gegenüber der Fehlkonstruktion der Euro-Einheitswährung absichern und die Möglichkeit einer Währungsunion nur zwischen den starken europäischen Wirtschaften oder die Rückkehr zur nationalen Währung schaffen. Und sie lehnt die Teilnahme an einer gemeinsamen Verteidigungspolitik mit einer EU-Armee unter dem Hinweis auf Österreichs Neutralität ab.

Die Umsetzung dieser zutiefst destruktiven Programmpunkte liefe trotz aller europafreundlicher Verbrämungen auf nichts Anderes hinaus als die Zerstörung des europäischen Einigungswerks, bestenfalls auf den Rückbau der EU zur Irrelevanz. Wie soll eine Europäische Union funktionieren, in der 27 Mitgliedstaaten bei allen wichtigen Entscheidungen ein Vetorecht haben, um ihre unmittelbaren nationalen Interessen durchzusetzen? In der laufend bindende nationale Volksabstimmungen über europäische Angelegenheiten stattfinden? Eine Union, die gegebenenfalls sogar die Gemeinschaftswährung aufgibt?

Daher wäre im aktuellen Wahlkampf eine europapolitische Diskussion so wichtig gewesen, um die österreichischen Positionen für die nach der deutschen Wahl beginnende, von Deutschland und Frankreich moderierte Reform der Europäischen Union abzustecken. Dabei geht es um mehr als Sozialleistungen für Ausländer, Korrekturen an der Entsenderichtlinie oder die Schiedsgerichtsbarkeit in Investitionsschutzabkommen. Es geht um unsere gemeinsame europäische Zukunft in einer zunehmend chaotischen, von Kriegsgefahr und politisch-wirtschaftlichen Bedrohungen sowie den Herausforderungen der Digitalisierung und des Klimawandels geprägten globalisierten Welt.