Welche Freude - es gibt ihn, einen für die Rechtsanwender und Bürger lesbaren, klaren, verständlichen und auch mit den Hauptbetroffenen der Wirtschaft offenbar weitgehend akkordierten Gesetzesentwurf für das Kartellgesetz 2005, der kürzlich zur Begutachtung versandt wurde.
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Der missglückte Gesetzesentwurf des Verbandverantwortlichkeitsgesetzes im Vorjahr stellte nicht nur einen Etikettenschwindel dar - wer hätte darunter schon das Unternehmensstrafrecht vermutet -, er diente auch lediglich einem juristischen "l'art pour l'art". Man konnte nur sagen, in den Schredder damit, bevor der Wirtschaftsstandort darunter leidet. Aber jetzt liegt ein glasklarer Gesetzesentwurf auf dem Tisch.
"Gesetz gegen und nicht über Kartelle"
Der neue Geist zeigt sich schon darin, dass wir endlich ein Gesetz gegen Kartelle und nicht mehr - wie bisher - ein Gesetz über Kartelle haben werden. Der Entwurf harmoniert mit der EG-Verordnung 1/2003, die am 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist: Damit gelingt die inhaltliche Angleichung des materiellen Kartellrechts an das Gemeinschaftsrecht, so dass sowohl für rechtsanwendende Organe wie auch für die Unternehmen künftig der Vorteil besteht, dass sie sich nicht nach zwei nebeneinander geltenden völlig unterschiedlichen Systemen richten müssen. Gleichzeitig hat man sich mit dem Gesetzesentwurf auch in der Denkweise endgültig von der Kartellverwaltung und von der doch sehr von Lenkungsmaßnahmen geprägten Wirtschaft der Nachkriegszeit verabschiedet und eine großzügige Entrümpelung alter Bestimmungen vorgenommen.
Obwohl große Teile des geltenden Rechts, und zwar insbesondere im Bereich der Institutionen und des Verfahrens, inhaltlich unverändert bleiben, hat die Reform des materiellen Kartellrechts eine weitgehende Neugliederung des Rechtsstoffes und rechtstechnische Anpassungen im Sinne einer guten Gliederung und besserer Lesbarkeit gebracht.
Kern der Neuerungen ist die Einführung eines allgemeinen Verbotes von Wettbewerbsbeschränkungen nach dem Vorbild des Art 81 EGV. Die einzelnen Kartellarten fallen daher weg - grundsätzlich gilt ein allgemeines Verbot. Bestimmte Kartelle, beispielsweise Bagatellkartelle, sind von diesem Verbot ausgenommen, ohne dass die Entscheidung einer Behörde nötig ist. Komplizierte Genehmigung von Kartellen durch das Kartellgericht und alle damit zusammenhängenden Vorschriften (Kartellarten, vertikale Vertriebsbindungen, unverbindliche Verbandsempfehlungen) sind damit Vergangenheit.
Wäre der Verfassungskonvent erfolgreich(er) gewesen, wäre der Kartellgesetzesentwurf sogar noch besser geworden, weil man sich dann vermutlich auch eine Verfassungsbestimmung im Entwurf erspart hätte. Aufgrund von Länderkompetenzrelikten wäre sonst eine lückenlose Anwendung des Kartellrechts auf alle Wirtschaftsbereiche nicht möglich bzw. die Verpflichtung des Art 81 und 82 EG-Vertrag zur lückenlosen Anwendung des Kartellrechts innerstaatlich in allen Rechtsbereichen nicht einzuhalten gewesen.
Die Neuerungen im Detail:
n durch das allgemeine Verbot der Wettbewerbsbeschränkungen entfallen Sonderbehandlungen
n das Kartellverbot wird auf Empfehlungskartelle ausgedehnt, um weiterhin einseitige Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern
n das Kartellregister wird abgeschafft
n aus Gründen der Rechtssicherheit kann durch Verordnung deklarativ festgestellt werden, dass bestimmte Gruppen von Kartellen freigestellt sind
n Kooperative Gemeinschaftsunternehmen werden nach dem Vorbild des Gemeinschaftsrechts der Zusammenschlusskontrolle unterzogen
n Zusammenschlüsse nach § 9 Abs 1 KartG 2005 sind nunmehr bei der Bundeswettbewerbsbehörde anzumelden und nicht mehr beim Kartellgericht
n Bagatellkartelle: Anhebung der Bagatellgrenze von 2 Mio. Euro auf 3 Mio. Euro
n die Entscheidungsfrist für das Kartellgericht bleibt mit fünf Monaten zwar gleich, allerdings beginnt der Lauf der Frist nun mit dem Einlangen des Prüfungsantrags beim Kartellgericht
n neu ist weiters die Verbindlicherklärung von Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmen bzw. Unternehmervereinigungen durch Entscheidungen des Kartellgerichtes
n die Geldbußen werden der EG-Verordnung 1/03 angepasst; die Verjährungsfrist wurde auf fünf Jahre verlängert.
Dr. Hannes Füreder ist Partner bei der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Siemer Siegl Füreder & Partner