Ab Jänner 2006 gilt in Österreich ein neues Kartellrecht. Doch dem Instrument zur Wettbewerbskontrolle fehlt auch weiterhin der Biss. Wesentliche Änderungen sind die Kronzeugenregelung und die Anhebung des Strafrahmens auf EU-Niveau. Weiters werden Wettbewerbsverstöße nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Die Anliegen der Konsumenten - sie bekommen keine Parteienstellung - bleiben weiterhin unberücksichtigt.
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Übernahmen oder Fusionen mussten bisher vom Kartellgericht genehmigt werden. In der neuen Regelung ist das nicht mehr vorgesehen. Ab Jänner müssen die Vorstände selbst beurteilen, ob sie mit ihrem Deal gegen das Kartellgesetz verstoßen. Damit wird die Verantwortung von den Gerichten hin zu den Unternehmern verlagert.
Geprüft wird künftig nur noch, wenn Konkurrenten oder Zulieferer den Zusammenschluss für wettbewerbswidrig befinden. Stimmt die Wettbewerbsbehörde dem Kläger zu, dann drohen allerdings saftige Strafen. Das maximale Bußgeld wurden auf 10% des Jahresumsatzes angehoben - das gilt auch für Konzerngruppen.
Novum Kronzeugenregel
Als Novum wird die Kronzeugenregel eingeführt. Demnach kann sich ein Unternehmen, das an einem Kartell beteiligt ist, dadurch reinwaschen, indem es das Vergehen selbst anzeigt. Im besten Fall kann der Kronzeuge mit Straffreiheit oder einer milderen Geldstrafe rechnen. Rechtssicherheit gibt es dafür jedoch nicht. Dadurch könnte dem Kronzeugen die Motivation fehlen, erklären Raoul Hoffer und Johannes Barbits, Anwälte der Kanzlei Binder Grösswang. Erst wenn die Bußgelder nochmals angehoben werden und tatsächlich drakonische Strafen zu befürchten sind, würde es sich lohnen ein Kartell auffliegen zu lassen, ist Hoffer überzeugt.
Konsumenten gehen leer aus
Auch im neuen Kartellrecht gehen die Konsumenten, die durch ein Kartell geschädigt wurden, leer aus. Sie bekommen keine Parteienstellung und können daher nicht auf Einsicht in die Akten bestehen, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Forderung der Arbeiterkammer und Konsumentenschützer wurde damit nicht berücksichtigt. Das bezeichnet der Wirtschaftsanwalt als Manko.
Unzureichend bleibt auch die Schlagkraft der Wettbewerbsbehörde, die derzeit nur über 16 Sachbearbeiter verfügt. "Die Behörde kann damit ihre Aufgaben nicht ordentlich erfüllen. Eine Aufstockung auf 40 Mitarbeiter wäre dringend geboten", so Hoffer. Auch gebe Anzeichen, dass die Hilferufe der Behörde nicht unerhört bleiben. In Anwaltskreisen hält man die Zusammenlegung von Kartellgericht und Wettbewerbsbehörde als sinnvollsten Schritt zurVerbessserung der Kontrolle.
Dass Unternehmen, die ihre marktbeherrschende Stellung missbrauchen - wie etwa die Handelsriesen - künftig das Handwerk gelegt wird, glaubt Hoffer nicht. Noch immer sind die Zulieferer, da sie nicht anonym aussagen dürfen, in einer schwachen Position und erpressbar. Außerdem sei die Zerschlagung von existierenden Oligopolen auch im neuen Recht nicht vorgesehen.
Fünf Austriaca bleiben
Fünf Ausnahmen fallen als Austriaca nicht unter das Kartellverbot: Bagatell-Kartelle (wie Fahrschulen oder Taxiunternehmen), Genossenschaften, landwirtschaftliche Produktionsvereinigungen, die Buchpreisbindung und der Haftungsverbund von Erste Bank und den Sparkassen. Letzter wurde auf EU-Ebene von der BA-CA bekämpft und wird auch von Hoffer, der die BA-CA vertritt, als unakzeptabel bezeichnet.