Bundeskanzler Kurz ruft die Menschen zum Zusammenhalt auf und bittet um Einschränkung der Sozialkontakte im Interesse der gefährdeten älteren Bevölkerung und der Menschen mit Vorerkrankungen.
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Wir leben in einer Zeit, wo es wichtig ist, dass wir alle zusammenstehen, um vor allem ältere Menschen und vulnerable Gruppen zu schützen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag. Und genau darum geht es, die Menschen in Österreich nehmen erst nach und nach wahr, dass sie ihr Leben tatsächlich von Grund auf ändern müssen. Das allerwichtigste Gebot der Stunde (Monate) heißt: Sozialkontakte auf das absolute Mindestmaß reduzieren.
Nur durch bestmögliche Reduktion aller persönlichen Kontakte ist es möglich, Krisensituationen wie jene in Italien, wo Akutpatienten in Spitälern nicht mehr behandelt werden können, weil die Kapazitäten dafür fehlen, zu verhindern. Die österreichische Regierung sei sich des Ausmaßes der Maßnahmen - Schließung der Schulen, Besuchsverbote in Spitälern, Schließung der Geschäfte bis auf jene, die für die Versorgung absolut notwendig sind, Grenzkontrollen, Flugverbote - sehr wohl bewusst, wie der Kanzler betonte, "aber wir hoffen, dass die Maßnahmen die Ausbreitung zumindest verlangsamen". Was die Dauer betrifft, nannte der Bundeskanzler vorerst Ostern als Orientierung. Er ließ aber offen, ob man die Sperren nicht verlängern wird müssen. "Hoffnung auf eine vorzeitige Entspannung der Situation sollten wir uns nicht machen", sagte der Bundeskanzler, der hofft, dass "die restriktiven Schritte in einem frühen Stadium nach einer gewissen Zeit Wirkung zeigen mögen".
Kinder sind ungefährdet
Der Sars-CoV-2-Erreger ist ein neuartiges Coronavirus. Einiges weiß man bereits darüber, vieles aber noch nicht. So scheint es, dass der erwartete Temperatureffekt für das Virus eher klein sein wird. Unklar ist beispielsweise auch, warum Kinder so gut wie überhaupt nicht schwer erkranken. Es ist aber so.
Betroffen von schwerwiegenden Verläufen sind vor allem zwei Bevölkerungsgruppen: Menschen über 65 und Menschen mit einer Vorerkrankung wie Immunsuppressionen, Tumorerkrankungen, Diabetes, Herz- und/oder Lungenerkrankungen und Personen mit einem hohen Körperfettanteil.
In Österreich waren am Freitagnachmittag 504 Erkrankungen bestätigt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von einer durchschnittlichen Steigerungsrate um die 40 Prozent. In Italien liege die Zahl der Erkrankungen bereits bei 15.000 mit 1100 Todesfällen. Die Berichte über die Spitäler in Italien würden sich wie "Kriegsberichterstattung" lesen, sagte der Gesundheitsminister, der eindringlich dazu mahnte, die Sozialkontakte zu reduzieren. "Unser Ziel ist, Zeit zu gewinnen in der Hoffnung, dass es bald Medikamente gibt, und um unsere Spitäler krisenfester zu machen."
Es geht jetzt darum, dass die Krankenhäuser alle geplanten und nicht notwendigen Operationen verschieben, dass Personalpläne - eventuell mit bereits pensionierten Medizinern - für den Krisenmodus erstellt werden.
Die Stadt Wien funktioniert derzeit gerade die Messehalle in Wien-Leopoldstadt zu einem Groß-Lazarett um, wie Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Freitag bekanntgab. In einem ersten Schritt werden ab nächster Woche 880 Betten verfügbar sein. Die Kapazitäten seien für Patienten gedacht, die einen leichten Verlauf der Krankheit hätten, aber nicht zu Hause pflegerisch oder medizinisch betreut werden können. "Das ist kein Spitalersatz, sondern ein Betreuungsraum", sagte Ludwig.
Wie Ältere geschützt werden
Warum aber gerade ältere und vulnerable Bevölkerungsgruppen besonders geschützt werden müssen, machte der Leiter der Virologie in der Berliner Charité, Christian Drosten, im NDR deutlich: "Im Alter über 65 steigt die Fallsterblichkeit rapide." Unter 50 sei in den meisten Fällen nur eine leichte Erkrankung bemerkbar, aber bei den Menschen ab 65 und bei vulnerablen Gruppen sei mit einer Mortalitätsrate von 20 bis 25 Prozent zu rechnen.
Drosten geht davon aus, dass in der jungen Bevölkerung eine "Durchseuchung", also die Durchinfektion, bis in den Sommer kommt. Diese werde dann, im besten Fall, weitestgehend immun sein. Diese "Sommerwelle" müsse man von der älteren Bevölkerung fernhalten.
Und das geht so: Kinder sollen bis September oder Oktober nicht mehr mit ihren Großeltern in physischen Kontakt treten. Stattdessen sollten sie für Opa und Oma einkaufen gehen, damit diese nicht unter Menschen müssten. Gefährdete Personen sollen das Vereinsleben meiden ebenso wie das Gasthaus oder Menschenansammlungen jeglicher Art. Auch Kartenrunden oder Kaffeekränzchen sind nicht mehr ratsam. Das Leben muss insgesamt auf einen Heim-Modus umgestellt werden. Aber damit die besonders gefährdeten Gruppen geschützt werden, sollte das zum Maßstab für alle werden.